Am vergangenen Wochenende fand in Neunburg vorm Wald, Lauf an der Pegnitz und Regensburg das 4. Deutsch-Tschechische Kolloquium statt. In den kommenden Tagen werden wir über die vielseitigen Aspekte dieses Treffens berichten, das am 22. November im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung im Neunburger Rathaus mit der Akademie Ostbayern-Böhmen startete und am 24. November mit zwei interessanten Führungen auf den Spuren von Krieg und Frieden in Regensburger Museen endete.
Heute wollen wir eine ausführliche Rückschau auf den Auftakt im historischen Sitzungssaal des Rathauses Neunburg vorm Wald am Freitag halten, bei dem sich zahlreiche Geburtstagsgäste und Festteilnehmer einfanden, um die Akademie Ostbayern-Böhmen (AOB) für ihr 15-jähriges Bestehen und die Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation (FEK) anlässlich ihres 25. Geburtstags zu feiern. Beide befreundete Vereine haben sich u.a. zwei wichtigen Aufgabengebieten verschrieben: „Die europäische Verständigung und speziell die Verständigung in der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Grenzregion“, betonte AOB-Programmkoordinator Hans Fischer bei der Begrüßung. Während die Akademie das Programmjahr 2024 „Mobilität“ mit einem „kleinen“ Symposium beende, starte die FEK mit diesem Abend ihr viertes dreitägiges Kolloquium.
Als Ehrengäste begrüßte Fischer insbesondere die Regierungsvizepräsidentin der Oberpfalz, Christiane Zürn, sowie die CSU-Bundestagsabgeordnete Martina Englhardt-Kopf und Bürgermeister Martin Birner. In seinem Grußwort bezeichnete der Hausherr die AOB als Juwel, die seit ihrer Gründung eine nachhaltige Basis für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und gute Freundschaften geschaffen hat. Die Akademie sei nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch lebendiger Treffpunkt für den Austausch von Wissen und Kultur. „Lassen Sie uns mit Tatkraft in die Zukunft schauen, gemeinsam Brücken bauen und den europäischen Gedanken in unserer Region stärken“, betonte das Stadtoberhaupt.
Regierungsvizepräsidentin Christiane Zürn ergänzte die Geburtstagsglückwünsche. „Als vor 35 Jahren der Eiserne Vorhang fiel, gab es auch noch eine zweite mentale Grenze in unseren Köpfen. Zwischenzeitlich ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ein zentrales Ziel auf beiden Seiten der bayerisch-tschechischen Grenze“. Und weiter: „Die AOB ist ein wichtiger und anerkannter Partner in der grenzüberschreitenden Kooperation, die ein tragfähiges Netzwerk aufgebaut hat, das alters- und themenübergreifend aktuelle Entwicklungen aufgreift und zur Diskussion stellt.“
Neunburgs Bürgermeister Martin Birner und die Oberpfälzer Regierungsvizepräsidentin Christine Zürn sprachen Grußworte, Josef Schönhammer, Vorsitzender der Akademie Ostbayern-Böhmen hielt Rückschau auf 15 Jahre Akademie, assistiert vom Moderator des Abends, Hans Fischer (von links).
Die Abgeordnete Martina Englhardt-Kopf dankte der Akademie für viele grenzüberschreitende Projekte. In ihrem Vortrag zum Abschluss des Programmjahres „Mobilität“ beleuchtete sie dieses Thema aus ihrem Arbeitsbereich. Die Elektrifizierung von Bahnstrecken sei deutschlandweit und vor allem im östlichen Nordostbayern unzureichend. Den Ausbau im ehemaligen „Zonenrandgebiet“ hielt man lange nicht für notwendig. „Die fehlende Elektrifizierung ist ökologisch nachteilig und bedeutet eine schlechtere Anbindung der Region“, konstatierte die Sprecherin. Als Mitglied des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags begrüßt sie die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Nürnberg nach Prag, womit die Oberpfalz eine Perspektive für ein internationales Fernverkehrsangebot erhalte. Ziel sei ein zweigleisiger Ausbau, der auch den Nahverkehr verbessere und damit die Tschechische Republik an den Rangierbahnhof Nürnberg anbinde. Laut dem vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes 2030 wolle man Anfang 2025 in die Vorplanung und technische Planung einsteigen. „Die Umsetzung großer Infrastrukturprojekte dauert in Deutschland weit über zehn Jahre“, gab die Abgeordnete zu bedenken. Im Bereich der Autobahnen kündigte Engelhardt-Kopf für die A 93 die Sanierung des Pfaffensteiner Tunnels an, die mit einer Aufweitung der Tunnelröhren und eines größeren Fahrbahnquerschnittes einhergehe. Die Bundesstraße B 85 werde zwischen Schwandorf und Roding vierstreifig ausgebaut. „Für den Abschnitt Schwandorf – Pittersberg ist ebenfalls der Ausbau auf vier Fahrstreifen geplant“, berichtete die CSU-Abgeordnete.
Akademie-Vorsitzender Josef Schönhammer ließ anschließend die bewegte Geschichte der Akademie mittels einer Power-Point-Präsentation Revue passieren. Es begann am 14. März 2009, als die Gründerväter, Regierungspräsident Wolfgang Kunert, Dr. Helmuth Wolf und Dr. Peter Deml die „Akademie für Natur und Industriekultur Ostbayern-Böhmen“ aus der Taufe hoben. „Ein einmaliges Projekt – und die Grundtendenz ist nach 15 Jahren immer noch gültig“, konstatierte der Sprecher. Wichtig war es immer, der Öffentlichkeit bewusst zu machen, welch enormes wissenschaftliches und unternehmerisches Potential unsere Region zu bieten hat. Schönhammer sprach von über 150 Veranstaltungen mit rund 4500 Teilnehmenden. „Ich denke, dass der Weg richtig war, Kooperationen mit der Wissenschaft und grenzüberschreitenden Institutionen einzugehen. Inzwischen ist die Akademie Ostbayern-Böhmen bekannt, akzeptiert, gut besucht und auch geschätzt. Und sie unterstütze so den „Marketing-Prozess“ für die Oberpfalz,“ betonte Schönhammer abschließend.
Prof. Dr. Wolfgang Otto begrüßte eingangs seines Redebeitrags unter den Gästen besonders Emilia Müller, vormals Europaabgeordnete und Staatsministerin für Europaangelegenheiten. Sie setze die Tradition fort, dass bei den FEK-Kolloquien stets mindestens ein aktives oder ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments anwesend war. Statt einer längeren Ansprache verwies er auf das ausgelegte EUROjournal mit den Informationen zur Europamedaille, die im Laufe des Kolloquiums am Folgetag verliehen werde.
Sprachen in Neunburg über die Zukunft: Dieter Brockmeyer, Alexander Pinker, MdB Martina Englhardt-Kopf, Dr. Gabriela Kašková und Gerfried Elias (von links) (Fotos: Wolfgang Otto).
Dann leitete Prof. Dr. Otto über zum weiteren Höhepunkt des Festabends, das Podiumsgespräch „Today & Tomorrow in Kooperation mit dem Diplomatic World Institute, DWI, in Brüssel: Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft – Wie gehen wir mit dem sich weiter beschleunigenden Technik induzierten Wandel um?“. Das Thema bildete gleichzeitig eine Brücke zum Jahresthema 2025 „start-ups“ der Akademie. Unter der Leitung von Dieter Brockmeyer, Mitglied der EUROjournal Chefredaktion und Mitgründer des DWI, der auch sein neues, nun auch in deutscher Übersetzung erschienenes Buch „Campus Mundi“ in einer deutlich erweiterten Fassung vorstellte, und dem Innovation Profiler Alexander Pinker, ebenfalls im Redaktionsteam des EUROjournals aktiv, entwickelte sich ein lebendiges und kurzweiliges Wechselgespräch. Hier brachten Oberst a.D. Gerfried Elias, MdB Martina Englhardt-Kopf und Kunsthistorikerin Dr. Gabriela Kaškova Gedanken aus ihren Arbeitsfeldern ein. Einige Gedankensplitter daraus: Grenzen überschreiten; anders denken; Innovationen ermöglichen; in einer komplexen Welt die Systeme und den lahmen Staat renovieren; bei aller Begeisterung für KI nach persönlicher Leistung, Kreativität und Verantwortung fragen; hinter allem den Menschen sehen; Grenzregionen in einer Übergangszeit wichtig – hier von den anderen lernen; junge Menschen auf Gefahren vorbereiten; grenzüberschreitend die schweigende Mehrheit bewegen, einen gemeinsamen „Mindset“ und gemeinsame Lösungen finden. Gerade die Arbeit am „Mindset“ käme eine besondere Bedeutung zu, da der Mensch über Jahrtausende eine ganz andere Denkweise als heute nötig kultivierte. „Nur durch eine in jeder Hinsicht Grenzen überschreitende Denkweise können wir in Zukunft bestehen. Dafür Impulse zu liefern, ist mein Hauptziel bei meiner Arbeit im DWI“, fasste Brockmeyer am Ende zusammen.
Zum Schluss bot sich bei einem kleinen Imbiss die Gelegenheit, diese Gedanken im persönlichen freundschaftlichen Gespräch zu vertiefen und man besuchte zusammen mit dem langjährigen Leiter des Neunburger Museums wesentliche Stationen aus der Geschichte zum Thema „Mobilität“ aus unterschiedlichen Perspektiven.
Von Kollegiumsmitglied Hans-Peter Weiß