Am vorvergangenen Wochenende fand in Neunburg vorm Wald, Lauf an der Pegnitz und Regensburg das 4. Deutsch-Tschechische Kolloquium statt. In den letzten Tagen haben wir bereits vom Auftaktsymposium in Zusammenarbeit mit der Akademie Ostbayern-Böhmen e.V. zu aktuellen Fragestellungen am Freitag und über die Verleihung der FEK-Europamedaille Kaiser Karl IV. am Samstag in Lauf berichtet. Abschließend wollen wir aber auch das vielseitige kulturelle Programm des Wochenendes in Erinnerung rufen, das über alle drei Tage einen wesentlichen Bestandteil des Kolloquiums bildete.
Allen voran sind hier zwei viel beachtete Vorträge und eine wunderbare Präsentation zur Geschichte der Schrift und des Schrifttums am Samstagnachmittag in der Laufer Wenzelburg zu nennen, daneben standen nicht weniger als drei Ausstellungen und drei weitere Ausstellungsführungen von Freitagabend bis Sonntagvormittag auf dem Programm des 4. Deutsch-Tschechischen Kolloquiums.
Noch am Freitagabend war nach den Vorträgen von MdB StDin Martina Englhardt-Kopf und AOB-Vorsitzendem Josef Schönhammer sowie dem von den EUROjournal Mitstreitern Dieter Brockmeyer und Alexander Pinker geleiteten Podiumsgespräch mit der Bundestagsabgeordneten sowie Kunsthistorikerin Dr. Gabriela Kašková und Oberst a.D. Gerfried Elias die erste Museumsführung an der Reihe. Der langjährige Leiter des Schwarzachtaler Heimatmuseums Theo Männer führte eine Gruppe interessierter Besucherinnen und Besucher des Auftaktsymposiums durch die Dauerausstellung eines der ältesten und größten Heimatmuseen der Oberpfalz mit spezieller Betonung des Themas „Mobilität“. Dies sei immer schon ein Thema in der Geschichte der Grenzregion gewesen, nicht nur beim Blick auf die „Goldene Straße“, deren südlichste Route durch Neunburg führte. Männer gelang es gut, auch an Beispielen einzelner Personen Mobilität aus unterschiedlichsten Perspektiven zu beleuchten. Immer wieder spielte dabei natürlich auch Krieg eine Rolle, als Mobilität sehr oft zu großem Leid führte. So war auch die einstige Residenzstadt der Pfälzer Wittelsbacher Anstürmen verschiedener Heergruppen und Armeen unterworfen, in der Hussitenzeit genauso wie im Dreißigjährigen Krieg und späteren Kriegsereignissen. Es gibt im Neunburger Museum aber auch genügend Beispiele individueller Mobilität, angefangen vom Prinzen Christoph, der im 15. Jahrhundert von Neunburg nach Skandinavien gesendet wurde, um dort König der Dänen, Schweden und Norweger zu werden. In späteren Jahrhunderten gab es nicht zuletzt Geistliche und Pädagogen, die entweder von Neunburg aus in die Welt zogen oder aus ihr nach Neunburg kamen und dort segensreich wirkten, als prominentestes Beispiel wohl die selige Ordensschwester Maria Theresia Gerhardinger, die im einstigen Franziskanerkloster der Stadt ihre Ordensgemeinschaft der Armen Schulschwestern gründete. Natürlich bildete auch die Post- und Bahngeschichte der Stadt Neunburg einen Teil der Ausführungen, wobei als Besonderheit gelten darf, dass Neunburg zur Wende zum 20. Jahrhundert nicht nur einen (Haupt)Bahnhof hatte, sondern auch einen Ostbahnhof…
Theo Männer (links) präsentierte im Schwarzachtaler Heimatmuseum manch regionale Besonderheit rund um die Stadt Neunburg vorm Wald, v.a. zum Thema „Mobilität“ (Fotos: Wolfgang Otto)
Nicht mit der Bahn, sondern dem Bus machte sich ein Teil der Besucherinnen und Besucher am Samstag von Regensburg auf nach Lauf an der Pegnitz. Zuvor hatte man sich am Samstagmorgen in der Zentralbibliothek der Universität Regensburg die Ausstellung über „Franz Kafka – Ein Mensch seiner und unserer Zeit“ angesehen, die dort in einer Kooperation vom Europaeum der Universität und dem Tschechischen Zentrum in München noch bis zum 23. Dezember zu besichtigen sein wird. Die künstlerisch umrahmte Ausstellung bildete auch eine gute Vorbereitung für einen der Vorträge, die im Rahmen des Deutsch-Tschechischen Kolloquiums am Nachmittag zu hören waren. Hier vermittelte der eigens aus Wien angereiste Germanist und Musikwissenschaftler Dr. Boris Blahak in einem lebhaften Referat sehr anschaulich die sprachlichen Besonderheiten des Werks von Franz Kafka. Mit seinem Vortrag „Zwischen „unversetztem Hochdeutsch“ und „Deutsch von undeutschen Müttern“ – Franz Kafkas „Prager Deutsch“ in seinen multilingualen Kontexten“ schaffte der Dozent an der Priv. Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz Sensibilität für die vielfältigen Einflüsse auf die Sprache und das Schrifttum des Autors, dessen 100. Todestag in diesem Jahr begangen wurde. Die Begeisterung der Zuhörerinnen und Zuhörer gab der Referent zurück: „Diese Veranstaltung im historischen Raum des Kaisersaals zu Lauf war der Höhepunkt meines persönlichen Kafka-Jahres.“
Einem weiteren Jubilar – in dem Fall der 1824 geborene tschechische Nationalkomponist Bedřich Smetana – hatte zuvor bereits Priv.-Doz. Dr. Andreas Wehrmeyer seinen Vortrag „Der deutsche Smetana – Friedrichs Anfänge“ gewidmet. Dabei bezog sich der Leiter des Sudetendeutschen Musikinstituts in Regensburg vor allem auf die Jugendjahre des Komponisten, als dieser in einem sprachlich-gemischten, aber doch in erster Linie deutschsprachig geprägten Umfeld aufwuchs. Erst im vorgerückten Alter, als ab den 1860er Jahren in Böhmen der tschechische Nationalgedanke erwachte, änderte Fredrich seinen Namen in die tschechische Version Bedřich um. Der Referent bezog sich in seinen Ausführungen ganz wesentlich auf einen erst kürzlich herausgegebenen Band einer kommentierten Tagebuch-Ausgabe des jungen Smetana. Hier kommen Einträge in beiden Sprachen vor, wobei deutsch dominiert und tschechisch vor allem bei emotionalen Einträgen zum Tragen kommt.
Die schönen Künste kamen sowohl bei der Kafka-Ausstellung an der Universität Regensburg, als auch im Rahmen der Vorträge von PD Dr. Wehrmeyer (mitte) und Dr. Blahak in der Laufer Wenzelburg zu ihrem Recht (Fotos: Sabine Watzlawik, Wolfgang Otto, Hedwig Otto).
Natürlich schrieb der Meister wie dies seit Jahrhunderten üblich war, mit Feder und Tinte. Woher diese Tradition kam, wer zunächst überhaupt in der Lage war zu schreiben, das konnten die Besucherinnen und Besucher des Kolloquiums bei Dr. Jiří Petrášek, Mitarbeiter der Bischöflichen Zentralbibliothek Regensburg, erfahren. Mit einem Großteil seines „mobilen Scriptoriums“ angereist, begeisterte er mit zahlreichen Originalartefakten und Faksimiles zur Geschichte des Schreibens und des Schrifttums von den Ursprüngen der Schrift in Mesopotamien, den antiken Varianten, aber auch der mittelalterlichen Buchmalerei. Auch die Bedeutung des Siegelns wurde anhand interessanter Abbildungen und Beispiele dokumentiert. Daneben hatte das interessierte Publikum auch die Möglichkeit, die neu gestaltete kleine Daueraustellung in der Laufer Wenzelburg „Burgen und Bauten Karls IV.“ und eine am Folgetag eröffnete saisonale Ausstellung des zeitgenössischen Künstlers Roland Schön „long lines and clumsy joints – listen, serien, tabellen“ zu besuchen.
Dr. Petrasek im Gespräch mit Botschafter a.D. Borůvka vor seinem beeindruckenden „mobilen Scriptorium“ (Fotos: Sabine Watzlawik).
Zum Ausklang des Kolloquium-Wochenendes kam es am Sonntag noch zum Besuch zweier hochinteressanter Ausstellungen, die derzeit in Regensburg zum Thema „Krieg und Frieden“ stattfinden. Den Anfang machte die Ausstellung „Roms neue Legionen – Alarm am Donaulimes“ im Historischen Museum der Stadt, die u.a. den Ansturm der „Grenzmannen“ (Markomannen), germanischen Sippen und Grüppchen u.a. aus dem Gebiet der heutigen Oberpfalz und noch weiter im Osten, in der heutigen Tschechischen Republik, auf den „nassen Limes“ thematisiert. Später sollten diese Gruppen zusammen mit den Nachkommen der römischen Legionäre und nicht zuletzt bereits vor den Römern die Provinz Raetien bewohnenden keltischen Einwohnern einen Teil des Ursprungs der Baiern bilden. Die Führung beschäftigte sich sehr anschaulich mit der Ansiedlung der 3. Italischen Legion durch Kaiser Marc Aurel in dem von ihm gegründeten Römerkastell „castra regina“ und den zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen, die dem „Philosophen auf dem Kaiserthron“ aufgezwungen wurden. FEK-Partner AktionKulturSozial hatte in diesem Jahr zusammen mit Kindern und Jugendlichen die der Mark-Aurel-Säule in Rom nachempfundene „Säule für den Frieden“ erstellt. Diese ist seither im Foyer des Historischen Museums ausgestellt und das Projekt ist integraler Bestandteil des Rahmenprogramms dieser Ausstellung geworden. Dieser und andere Aspekte wurden auch in der Führung durch Herrn Fischer von Cultheca Kulturvermittlung integriert.
Vollen Einsatz bei der Mitmach-Führung durch die neue Römerausstellung des Historischen Museums Regensburg zeigten sowohl FEK-Präsident Dr. Gerhard Krüger, als auch die stellv. Vorsitzende Karin Gehlen (Fotos: Wolfgang Otto)
Anschließend wechselte man in das Museum der Bayerischen Geschichte am Donaumarkt über, wo unter Führung von Herrn Schmidl von der Stadtmaus Regensburg der Sprung von der römischen Kaiserzeit ins Königreich Bayern des 19. und 20. Jahrhunderts gewagt wurde. Wenige Meter Fußmarsch für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kolloquiums, aber ein großer Sprung in der Geschichte zum Bayern rund um den Ersten Weltkrieg. Insbesondere beschäftigte man sich dabei in der abschließenden 75minütigen Führung „Weltenbrand! Bayern im Ersten Weltkrieg“ mit Ursache und Wirkung dieser „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts profund und anhand vieler in dieser Zusammensetzung nie zuvor präsentierter Exponate.
Vom Leiter der Chefredaktion Prof. Dr. Wolfgang Otto