Am 18. Mai endeten mit dem sonntäglichen Europafest die Neudrossenfelder Europatage 2025. Über den die Europatage eröffnenden Wirtschaftstag der IHK Oberfranken und der Wirtschaftsjunioren am Freitag sowie das FEK-Europa-Kolloquium mit dem anschließenden Podiumsgespräch in Kooperation mit dem Diplomatic World Institute Brüssel und den Festakt mit Überreichung der FEK-Ehrungen Europamedaille Kaiser Karl IV. und Freiheitsring am Samstag haben wir bereits im Mai und Juni ausführlich berichtet. Was darüber hinaus vom 16. bis 18. Mai 2025 an interessantem Programm geboten war, soll im Folgenden vorgestellt werden.
Musikalische deutsch-tschechische Lesung zum Kriegsende vor 80 Jahren
Genau genommen gingen die Europatage ja bereits am 9. Mai mit dem Vorprogramm in Regensburg los: passend zur historischen Bedeutung dieses Tages lud die Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation in Kooperation mit dem Tschechischen Literaturzentrum bzw. der Mährischen Staatsbibliothek Brünn in das neue Veranstaltungszentrum AKUSO FORUM in der Altstadt, wo eine musikalisch umrahmte Lesung „Kriegslyrik und Gedichte aus dem KZ von Vladimír Holan (1905-1980) und Josef Čapek (1887-1945)“ präsentiert wurde. Die lyrischen Zeilen der im tschechischen Nachbarland berühmten Kunstschaffenden (wobei Josef Čapek vor allem für seine bildende Kunst bekannt ist), die in Deutschland einen größeren Leserkreis verdienen würden, wurden in die deutsche Sprache vom Lyriker und Professor für Slawische Literaturwissenschaften der Universität Heidelberg, Urs Heftrich, übertragen. Dieser war zusammen mit dem Komponisten und Improvisationsmusiker Heiko Plank aus der Pfalz angereist, um das Publikum mit den nachdenklichen bis aufwühlenden Texten der beiden antifaschistischen Künstler – Čapek verstarb in den letzten Kriegstagen im KZ – zu konfrontieren. Neben dem eindrücklichen Vortrag des Übersetzers faszinierte die teilweise muttersprachlichen Zuhörerinnen und Zuhörer auch der Originaltext, den der in Regensburg bei der Bischöflichen Zentralbibliothek wirkende Dr. Jiří Petrášek vortrug. Die auf dem von ihm selbst entwickelten Musikinstrument „plank“ zu Gehör gebrachten Weisen des Heiko Plank machten aus dem lyrischen auch einen musikalischen Genuss.
Heiko Plank, Dr. Jiří Petrášek und Prof. Dr. Urs Heftrich (von links) nach Ihrem wunderbaren Vortrag (Foto: Herbert Baumgärtner).
Auch ein Teil der luxemburgischen Geschichte: Zwangsrekrutierung zur „Wehrmacht“
Nur wenige Tage später war an gleicher Stelle wieder das sich zum 80. Male jährende Ende des Zweiten Weltkriegs Thema, wenn auch mit einem ganz anderen Aspekt der Kriegszeit. Passend zum Fokusland Luxemburg der diesjährigen Neudrossenfelder Europatage war Camille Mentz mit seiner Gattin aus dem südluxemburgischen Lamadelaine nach Regensburg gekommen, um dem Kooperationspartner Jahn Archiv um Prof. Dr. Wolfgang Otto und Dr. Georg Köglmeier vom Lehrstuhl für Landesgeschichte der Universität Regensburg aus dem Leben seines Vaters Jean-Pierre Mentz (1922-2006) zu erzählen. Im Jahre 1943 war der junge Luxemburger wie 10 000 seiner Landsleute in die „Wehrmacht“ zwangsrekrutiert worden. In Regensburg wurde eine Gruppe Luxemburger in ein Bataillon integriert. Eines morgens beim Appell wurde nach Fußballern gefragt und wenige Stunden später befand sich Mentz im Training beim damaligen Erstligisten SSV Jahn Regensburg. Hier stand er einige Male u.a. zusammen mit dem ehemaligen Nationaltorhüter Hans Jakob auf dem Platz, ehe eine Leistenbruch-Operation und ein Heimaturlaub den jungen Mann – aus einer antinationalsozialistischen Familie stammend – dazu brachten, statt nach Regensburg zurückzukehren, im benachbarten Belgien Unterschlupf zu suchen. Die Familie des „fahnenflüchtigen“ Jungen wurde anschließend – der Vater ins KZ Dachau, die Mutter und Schwestern nach Schlesien – deportiert, wie durch ein Wunder überlebten alle den Krieg und fanden sich später in der Heimat wieder. Das hochinteressante Gespräch im Rahmen des Zeitzeugenprojekts des Jahn Archivs fand wie immer im geschützten Raum statt, das entstandene Video wird in geeignetem Rahmen veröffentlicht werden.
Trafen sich zu einem besonderen Austausch zur Geschichte des Fußballs, aber auch der europäischen Geschichte in Regensburg: von links Gerd Otto, Camille Mentz, Prof. Dr. Wolfgang Otto und Dr. Georg Köglmeier (Foto: Juliette Flammang).
Zu den Quellen der Europatage
Weiter ging es tags darauf in Oberfranken, wo nach dem IHK-Wirtschaftstag zum Auftakt am Freitagnachmittag die Geschichte von Neudrossenfelder Europatagen, Europamedaille Kaiser Karl IV. und Freiheitsring sowie der Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation im Mittelpunkt stand. Dies wurde u.a. mit der Eröffnung der Wanderausstellung „Neudrossenfelder Europatage und FEK-Europamedaille Kaiser Karl IV.“, die erstmals in Oberfranken gezeigt wurde, aber auch mit einer Gesprächsrunde von Zeitzeugen der vier Partnerinstitutionen, die hinter den Europatagen stehen, geleistet. Gerd Otto, der ehemalige Chefredakteur der Mittelbayerischen Zeitung, der bereits die erste Verleihung der Europamedaille 2001 – damals noch in Nürnberg – moderiert hatte, leitete das Gespräch mit den ehemaligen und heutigen Vertretern von Landkreis Kulmbach, Gemeinde Neudrossenfeld, IHK Oberfranken und FEK e.V.. Im Gegensatz zu FEK und IHK, wo an die „Väter“ der Europatage, die verstorbenen Peter Verbata (1942-2018) und Dr. Hans Kolb (1955-2024) dankbar erinnert wurde – Verbatas Nachfolger als Vorstandsvorsitzender der FEK, Prof. Dr. Wolfgang Otto, und IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm übernahmen diesen Part – konnte bei Gemeinde und Landkreis auf die Männer der ersten Stunde zurückgegriffen werden. Man freute sich sehr über die Teilnahmen von Landrat Klaus Peter Söllner und Alt-Bürgermeister Dieter Schaar, der von seinem Nachfolger Harald Hübner flankiert wurde.
Landrat Klaus Peter Söllner, IHK-Geschäftsführer Wolfram Brehm und Alt-Bürgermeister Dieter Schaar standen im Eishaus Neudrossenfeld Rede und Antwort (Foto: Wolfgang Otto).
Ein Gang hinüber zum Skulpturengarten am Schloßplatz komplettierte den Rückblick. Prof. Dr. Otto ging auf die einzelnen Kunstwerke von Bildhauer Albrecht Volk und die von ihm ins Bild gesetzten Preisträgerinnen und Preisträger ein. In Neudrossenfeld war im Jahr 2003 der erste ausgezeichnete Europäer Dr. Jacques Santer, ehemaliger Ministerpräsident Luxemburgs und EU-Kommissionspräsident. Ein Rundgang durch das Lindenbaummuseum schloss den Nachmittag mit historischem Rückblick auf das europäische Phänomen der Tanzlinden mit einem Fokus in Franken ab, daneben konnten die von Schülerinnen und Schülern gefertigten kleinen Kunstwerke im Rahmen des 3. Malwettbewerbs der Europatage bestaunt werden. Werke von Schülerinnen und Schüler der Grundschule Hiltpoltstein, immerhin 70km von Neudrossenfeld entfernt, unter Anleitung ihrer Lehrerin Ulrike Gumann haben die Jury aus Cosima Barón Fernández de Córdoba, Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in München, Karin Gehlen, stellv. Vorsitzende der FEK e.V., Sara Hoffmann-Cumani, Ideengeberin des Wettbewerbs, FEK-Freiheitsring 2021, Bürgermeister Harald Hübner, Stephan Jöris, 1. Vorsitzender von focus-europa e.V. Kunst ohne Grenzen, Stefan Kuen, Abteilungsdirektor Bereich Schulen bei der Regierung von Oberfranken, und Landrat Klaus Peter Söllner in diesem Jahr am meisten erfreut.
Bürgermeister Harald Hübner mit Ehrengästen der Europatage im Lindenbaummuseum Neudrossenfeld nach der „Begutachtung“ der eingegangenen Werke der jungen Künstler. Rechts: Büste des ersten in Neudrossenfeld ausgezeichneten europäischen Spitzenpolitikers, Dr. Jacques Santer, im Skulpturengarten (Fotos: Wolfgang Otto).
Luxemburger Abend und Schloßsymposium: von Bergbau, Heiligen, Herrschern und Liebenden
Weiter ging es am Abend im Bräuwerck mit dem „Luxemburger Abend“, musikalisch umrahmt von Solisten des Kulmbacher Kammermusik-Orchesters, und auch kulinarisch ganz nach dem Fokusland der diesjährigen Europatage ausgerichtet. Das mundete auch einem besonderen Gast, der aus Nittenau nach Neudrossenfeld gekommen war, Josef Schönhammer, Vorsitzender der Partnerorganisation Akademie Ostbayern Böhmen. Höhepunkt des Abends war sicherlich der zweiteilige Vortrag des Freiheitsring-Trägers 2025, Jean Louis Schlim, Präsident des Luxemburger Vereins München, der mit seinem Vortrag „Luxemburg und Bayern – eine über 1000jährige Freundschaft“ einen weiten Bogen aus dem Hochmittelalter bis ins 20. Jahrhundert schlug.
Ein Trio des Kulmbacher Kammermusik-Orchesters umrahmte den Abend im Bräuwerck, Autor Jean Louis Schlim (recht) referierte zur gemeinsamen Geschichte von Bayern und Luxemburgern (Fotos: Wolfgang Otto).
Einen Teilaspekt seines Vortrags brachte der Sammler und Autor, geboren in Luxemburg, seit über 40 Jahren jedoch überzeugter Bayer und großer Kenner des Hauses Wittelsbach, insbesondere der Epoche des Königreichs Bayern, auch im Schloss-Symposium „Luxemburg und Bayern in Europa“ am Samstagvormittag in Schloss Neudrossenfeld, dessen Hausherren Dr. Susanne Thesing und Dr. Karl Gerhard Schmidt mit Familie die Veranstaltung beehrten, zu Gehör. „Prinzessin Antonia von Luxemburg. Bayerns letzte Kronprinzessin“ zeichnete den teils tragischen Lebensweg einer Schwester von Großherzogin Charlotte nach, die Anfang der 1920er Jahre die zweite Ehefrau von Kronprinz Rupprecht wurde und mit ihrem Mann und den Kindern als Gegner des Naziregimes eine schwere Zeit mit mehreren KZ-Aufenthalten zu überstehen hatte. Den Reigen zu zweieinhalb Jahrtausenden gemeinsamer Verbindungen zwischen den Regionen des heutigen Luxemburgs und des heutigen Bayerns hatte Prof. Dr. Andreas Schäfer vom Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bamberg mit seinem Vortrag „Montanarchäologische Untersuchungen zur frühen Eisengewinnung in Südwest-Luxemburg“ eröffnet. Funde von der Eisenzeit bis in die Neuzeit wurden vom ausgewiesenen Fachmann, der zur Thematik einst habilitiert hatte, vorgestellt und wurden insbesondere von dem Bergbau verbundenen anwesenden Luxemburgern mit Freude aufgenommen.
PD Dr. Rainer Neu bei seinem Willibrordus-Vortrag. Rechts: Prof. Dr. Andreas beim Fachsimpeln mit dem einstmals im Bergbau beruflich aktiven Luxemburger Camille Mentz (Fotos: Wolfgang Otto)
Genauso rar gesät sind heute Fachleute zum Leben des luxemburgischen Nationalheiligen Sankt Willibrord, der Lehrer und Vorgänger des weiter im Osten agierenden, den Deutschen sehr viel besser bekannten Sankt Bonifatius gewesen war. Beide gelten heute als Wegbereiter des christlichen Glaubens in Mittel- und Westeuropa. Tagungsleiter Prof. Dr. Otto war sehr froh mit dem Weseler evangelischen Theologen und Kirchenhistoriker PD Dr. Rainer Neu den Verfasser einer der jüngsten Monographien zum Heiligen Willibrord in Oberfranken begrüßen zu dürfen. Thematisiert wurde dabei auch die erste Klostergründung Willibrords auf dem Gebiet des heutigen Luxemburgs, Echternach. Und Jean Louis Schlim konnte zum Vortrag die Melodie der berühmten Echternacher Springprozession beitragen, die auch 2025 wieder zu Pfingsten tausende Gläubige und Touristen anzog.
Honorarkonsul a.D. Hans-Peter Schmidt bei seinem Kurzvortrag über Kaiser Karl IV., ans andere Ende der gemeinsamen Geschichte führte wiederum Jean Louis Schlim mit seinem Vortrag über Prinzession Antonia (Fotos: Wolfgang Otto).
Wer natürlich auf keinen Europatagen fehlen darf, das ist Kaiser Karl IV.. Zumal der Namensgeber der höchsten FEK-Auszeichnung als berühmtester Vertreter seines Geschlechts der Luxemburger natürlich gerade bei dieser Ausgabe der Europatage einen besonderen Leitstern darstellte. Keinen Vortrag, sondern ein flammendes Plädoyer für den Kaiser des 14. Jahrhunderts und die Deutsch-Tschechische Freundschaft hielt in bewährter Weise der langjährige Schutzherr der Europamedaille, Honorarkonsul a.D. Hans-Peter Schmidt aus Neumarkt. Der Träger der Europamedaille 2024, als aus Anlass des 25jährigen Jubiläums der FEK in Lauf an der Pegnitz die Auszeichnung verliehen wurde, machte die Bedeutung des langjährigen Herrschers und Gründers der ersten Universität auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches eindrucksvoll deutlich.
Bereits im Beitrag zum FEK-Europakolloquium (aber noch nicht im Bild) wurde über die Vorträge von Bernd Dieter RILL (links) über Georg von Podiébrad, einen böhmischen Vordenker der europäischen Einigung aus dem 15. Jahrhundert, und von Gerd Otto über die Vorbildfunktion der SaarLorLux-Region zum Beispiel für die bayerisch-sächsisch-tschechische Zusammenarbeit berichtet (Fotos: Wolfgang Otto).
(Kirchen)Musik, Tanz und Kulinarik am Sonntag im Fokus
Mit der offiziellen Eröffnung der Europatage durch Bürgermeister Harald Hübner auf dem Schloßplatz waren nun auch verschiedene Neudrossenfelder Gruppen involviert. Der Gemeinschaftschor der Gesangsvereine aus Neudrossenfeld, Langenstadt und Neuenreuth und der Schulchor der Grund- und Mittelschule Neudrossenfeld erfreuten mit zeitlosen und modernen Weisen, die Maintal-Böllerer der Alten Treuen e.V. begrüßten die zahlreichen Gäste mit ihren Salutschüssen. Nach dem traditionellen Ballonstart der Neudrossenfelder Jugend wurde im Skulpturengarten nebenan das neue Kunstwerk des Bildhauers Albrecht Volk enthüllt.
Spannung vor dem Ballonstart der Kinder und Jugendlichen von Neudrossenfeld auf dem Schloßplatz, Enthüllung der neuen Skulptur von Albrecht Volk im Skulpturengarten durch die Preisträgerinnen Nicola Beer und Botschafterin Sylvie Lucas sowie Jean Louis Schlim (Fotos: Claudio Cumani).
Der Sonntag gehörte dann wie immer vor allem der örtlichen Bevölkerung, die sich nicht nur an den verschiedenen kulinarischen Eindrücken aus Europa von den Deutsch-Polnischen, -Rumänischen und -Tschechischen Gesellschaften sowie der Fußballjugend des TSV Neudrossenfeld und der „Gaudidrubbm Brüggla“ sowie Gesangseinlagen des Gesangsvereins Maintal Neuenreuth und einem abendlichen Auftritt von Gerry James mit RACE erfreuten. Dazu gab es Musik und Tanz aus Franken unter dem Motto „Oberfranken in Europa“.
Pfarrer Thomas Wolf auf dem kunsthistorisch wertvollen Hochaltar der Neudrossenfelder Dreifaltigkeitskirche, Organist Ludwig Schmitt beim anschließenden Orgelkonzert (Fotos: Wolfgang Otto).
Zuvor hatte am Vormittag ein ökumenischer Europa-Gottesdienst in der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche Neudrossenfeld mit Pfarrer Wolf, untermalt vom Vokalensemble Neudrossenfeld, stattgefunden. Im Anschluss gab der aus Bayreuth stammende Gymnasiallehrer und Organist der katholischen Stadtpfarrkirche St. Josef in Regensburg-Reinhausen, StR Ludwig Schmitt, ein Orgelkonzert mit Werken Johann Sebastian Bachs, Robert Jones und Péter Wolfs.
Vom Leiter der Chefredaktion Prof. Dr. Wolfgang Otto