Zwei Jahre nach Beginn des Ukrainekrieges ist es an der Zeit eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu analysieren, wie es weitergeht: Putin in der „Hitler-Falle“


1. Der Westen insgesamt hat bisher mehr gewonnen als verloren: die NATO ist um zwei Länder größer geworden, Europa ist erstaunlich geschlossen, die Wirtschaft hat die Abkoppelung von der Energiezulieferung aus Russland verkraftet und die Inflation hat deutlich nachgelassen.

2. Furchtbare Verluste hat allerdings die Ukraine zu verkraften: Sie erleidet ständig zivile Bombardierungen, es sterben täglich viel zu viele Menschen und 20 Prozent des ukrainischen Territoriums sind russisch besetzt. Insgesamt befindet sich die Ukraine in einem furchtbaren und verlustreichen Abwehrkampf ums Überleben. Aus diesen Gründen hat sie auch das Recht primär zu entscheiden, wann der Kampf enden soll.

3. Der russische Präsident und Kriegsverbrecher Putin tut bisher so, als ob Russland diesen verlustreichen Krieg so nebenbei als vor allem technische Militäraktion führen kann. Aber die Fakten sind auch in einer Militärdiktatur auf Dauer nicht zu verstecken. Der Krieg ist irrsinnig teuer und auch die ehemalige Sowjetunion ist daran gescheitert, dass sie im sog. Kalten Krieg das teure Wettrüsten mit dem Westen auf Dauer nicht durchhalten konnte. Und die russischen Bürger werden durch die permanente Propaganda zwar ruhig gehalten, aber eine Begeisterung für diesen Krieg gegen das „Brudervolk Ukraine“ ist nirgendwo zu finden.

4.  Wie geht es weiter bei diesem Kampf: Es wird der „Kombattant“ diese schlimme Auseinandersetzung besser überstehen, der die größeren Reserven und die besseren Nerven hat. Einen Sieger oder Verlierer im klassischen Sinn wird es nicht geben. Es läuft auf einen Abnutzungskrieg hinaus: Insgesamt ist dafür das Potential, also die Reserven des Westens immens größer als das Russlands. Auch Europa ohne die USA bringen ein Mehrfaches „auf die Matte“ als Russland. Es kann natürlich noch ein oder zwei Jahre dauern bis der Krieg für beide Kontrahenten im weitesten Sinn „unbezahlbar“ wird, aber der Zeitpunkt wird kommen. Deswegen gilt es vor allem „Nerven behalten”.

5. Der Westen oder nach einer möglichen Wahl Trumps auch Europa allein muss auf die Erfahrungen des Kalten Krieges zurückgreifen, denn faktisch befinden wir uns in einer Neuauflage des Kalten Krieges, der nur in der Ukraine „heiß“ geführt wird. Auch damals gab es sowjetische Spione all überall und kommunistische Unterstützer der Sowjetunion saßen in vielen nationalen Parlamenten Europas.  Eigentlich war es damals viel schwerer und unwahrscheinlicher, dass der Westen diesen ungleichen Kampf gegen die riesige Weltmacht Sowjetunion gewinnt. Dieses Mal wird sich Russland zwar nicht wie einst die Sowjetunion auflösen, aber Russland wird einen Dämpfer erhalten und mit einem weiteren NATO-Mitglied Ukraine leben müssen. Selber schuld. Im Übrigen wird auch ein Präsident Trump nicht alle Brücken nach Europa abbrechen.

5. Putin steckt in einer Art „Hitler-Falle“: Putin will praktisch die Verluste des verlorenen Kalten Krieges durch seine aggressive Politik wieder revidieren und rückgängig machen mit dem Ziel der Wiederherstellung des Imperiums. Genauso dachte Hitler bei seinem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Auch er wollte die Verluste des verlorenen Ersten Weltkrieges revidieren und das alte Reich wieder herstellen. Er ist damals genauso gescheitert wie dieses Mal Putin. Wir müssen allerdings darauf achten, dass sich dieses Scheitern nicht krachend, sondern „mit einem leisen Seufzer“ vollzieht. 

Von Dr. Ingo Friedrich, Vizepräsident des Europäischen Parlaments a.D.

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