Groß war die Verwunderung nicht nur in der Redaktion des EUROjournals, als Ende Oktober 2023 der ehemalige Journalist und katholische Religionslehrer Karl Freller nach fünf erfolgreichen Jahren als 1. Vizepräsident des Bayerischen Landtags quasi abgewählt wurde. Die eigene Fraktion entschied sich mehrheitlich für Frellers Kollegen im Landtag, Tobias Reiß, aus Brand im äußersten Norden der Oberpfalz als neuen CSU-Vizepräsidenten des Landtags.

Es spricht für den loyalen Vollblutpolitiker, dass er, der bei den jüngsten Landtagswahlen nicht nur weit über dem Ergebnis seiner Partei lag, sondern seinen Erststimmenanteil im Vergleich zur Vorwahl noch einmal verbessern konnte, weder lamentierte noch protestierte, sondern sogleich wieder an die Arbeit ging. In einem Alter – Freller wird am 2. März 68 Jahre alt – in dem die meisten sich auf den Ruhestand einstellen oder sich längst an diesem erfreuen, hatte sich der Musterdemokrat, der es in den letzten Jahrzehnten verstand, sich Freundinnen und Freunde aller Couleur zu machen, für die Kandidatur im nicht naturgemäß einfach zu gewinnenden, großstädtisch geprägten Wahlkreis Nürnberg-Süd entschieden. Bei den Wahlen 1982, als Listenkandidat auf dem letzten Platz geführt, wurde der damals 26jährige Lehrer sensationell in den Bayerischen Landtag gewählt worden. Damals und noch lange (bis 2018) als jüngster Parlamentarier aller Zeiten in Bayern.

Direktor Karl Freller mit dem litauischen Holocaust-Überlebenden und Stiftungsrat Abba Naor (Foto: Abgeordnetenbüro Karl Freller).

Über 41 Jahre sind seither vergangen und wie das Parlamentsbüro erst kürzlich ermittelt hat, ist Karl Freller nach dem Tod des einstigen Bundestagspräsidenten und Bundesministers Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) am 26. Dezember des Vorjahres, der dienstälteste der über 2600 Parlamentarier der Bundesrepublik Deutschland – bezogen auf die 16 Landtage und den Bundestag! Die parteiübergreifende Beliebtheit des einstigen Vizepräsidenten prädestinierten Freller geradezu für dieses Amt. Als Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten zeichnet der langjährige Staatssekretär im Bayerischen Kultusministerium (1998-2007) seit 16 Jahren ehrenamtlich für die Gedenkkultur des Freistaats Bayern verantwortlich und in diesen Jahren haben zahlreiche Überlebende des Holocausts in Karl Freller einen ehrlichen Partner und Freund gefunden.

Landtagsabgeordneter Karl Freller auf einem Bild von der Preisverleihung für den Politik-Award für den besten Wahlwerbesport mit geringem Budget im Jahr 2019 mit jungen Rapperinnen und Rappern (Foto: Abgeordnetenbüro Karl Freller).

Immer wieder konnte sich der dreifache Familienvater aber auch als junggebliebener und stets gut gelaunter Homo politicus in Szene setzen. So in einem später ausgezeichneten Wahlwerbespot zur Landtagswahl 2018, als Freller mit Jugendlichen aus der Rapperszene posierte. Legendär auch die Kostümierungen Frellers beim Frankenfasching, etwa im Vorjahr als „King Charly“, bezugnehmend auf den neuen König der Briten. Als Landtagsvizepräsident war es Karl Freller aber auch wichtig, in Kreise vorzudringen, die nicht natürlicherweise dem konservativen Spektrum nahestehen. Man denke etwa an die Übernahme der Schirmherrschaft für die Bayerischen Christopher Street Days.

Landtagsvizepräsident Karl Freller im September 2019 als Laudator bei der Übergabe des FEK-Freiheitsrings an Preisträger Dr. h.c. Bernd Posselt (Foto: Thomas Weiss).

Das FEK-EUROjournal, dessen Kollegiumsmitglied der dienstälteste deutsche Parlamentarier seit vielen Jahren ist, und die Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation fühlt sich mit dem Landtagsvizepräsidenten a.D. auf besondere Weise verbunden. Sehr oft war Freller zu Gast bei den Neudrossenfelder Europatagen und hielt immer wieder auch Laudationes auf die FEK-Preisträger, wie zum Beispiel 2019 auf Karel Fürst Schwarzenberg und Bernd Posselt. Wir hoffen und freuen uns auf viele weitere Treffen in der Zukunft.

Vom Leiter der Chefredaktion Prof. Dr. Wolfgang Otto

Beitragsfoto: Der 26jährige Karl Freller bei seiner „Jungfernrede“ im Bayerischen Landtag am 20. Oktober 1982 (Foto: Abgeordnetenbüro Karl Freller).

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