Beim 62. Andechser Europatag der Paneuropa-Union Deutschland, der unter dem Motto „Südosteuropa – ein Niemandsland?“ stand, forderte deren Präsident Bernd Posselt die EU auf, den seit Jahren blockierten Beitrittsprozess für die Staaten des westlichen Balkans wieder aufzunehmen und schleunigst ein zusammenhängendes strategisches Konzept zu entwickeln. Ansonsten würden, so der langjährige CSU-Europaabgeordnete, Russland, China und der Islamismus das machtpolitische Vakuum ausfüllen, das die EU in diesem Raum lasse. Mit Blick auf Serbien betonte Posselt, dass es auf keinen Fall vor dem Kosovo EU-Mitglied werden dürfe, weil es nach wie vor in seiner Verfassung Ansprüche auf das Territorium dieses Nachbarlandes erhebe und dessen EU-Mitgliedschaft mit dieser Begründung blockieren wolle. Damit verletze Belgrad aber eines der entscheidenden Aufnahmekriterien, wonach kein Land beitreten kann, das ungeregelte Grenzfragen mit seinen Nachbarn hat.

Nachdrücklich warnte Posselt vor Versuchen „Putins und seiner serbischen Verbündeten, Bosnien-Herzegowina, den Kosovo und Montenegro zu destabilisieren, aber auch Mazedonien und Albanien.“ Deshalb bräuchten diese Länder eine klare Perspektive der Vollmitgliedschaft „denn wenn man sie weiter am ausgestreckten Arm verhungern läßt, zerstört man immer mehr das Vertrauen dieser Völker in die europäische Integration. Vertrauen ist aber das wichtigste Kapital für eine funktionierende Sicherheitspolitik.“

Kloster Andechs war am 19. und 20. Oktober 2024 zum 62. Male Schauplatz der Paneuropa-Tage (Foto: Stefan Zwinge)

Die Einführungsrede des Kongresses im oberbayerischen Kloster Andechs hielt der bosnisch-bayerische Essayist und Historiker Dr. Jozo Džambo. Er beschrieb, von der Gestalt und der Geschichte Sarajewos ausgehend, die faszinierende Kulturlandschaft Bosnien-Herzegowinas und des ganzen Balkans, die in den Entscheidungszentralen Europas viel zu wenig bekannt sei. Džambo erinnerte an einen Vorgang aus dem Kriegsjahr 1992, als die österreichische Regierung aus einem Brüsseler Büro den Anruf erhalten habe, was denn „bei euch da unten“ los sei. In der Geschichte Bosniens hätten sich dessen verschiedene Volksgruppen stets in sehr unterschiedliche Richtungen orientiert: Die katholischen Kroaten zum Papst nach Rom und zum Kaiser in Wien, die muslimischen Bosniaken zum Sultan nach Istanbul und die Serben hin zur russischen Orthodoxie. Aber die Mechitaristen in Wien hätten zum Beispiel ebenfalls eine bedeutsame Rolle bei der Erhaltung und Weiterentwicklung des orthodoxen Kulturgutes gespielt. Die verschiedenen Religionsgemeinschaften und Nationalitäten, unter ihnen auch sephardische und aschkenasische Juden, hätten über lange Zeit friedlich mit- oder nebeneinander gelebt, bis es im Zeitalter des Nationalismus zu Verhärtungen kam. Džambo zitierte den israelischen Sozialpsychologen Dan Bar-On mit dem Satz: „In Zeiten von Krieg und Konflikt neigen Gesellschaften dazu, ihre Erzählungen als die einzig richtigen und moralisch überlegenen anzusehen.“ Der Redner belegte dies anhand von Schulbüchern mit gegensätzlichen Inhalten, der Geschichte von Straßen-Umbenennungen sowie dem Sturz und der Errichtung von Denkmälern.

Daran anknüpfend sprach der Historiker Dr. Dennis Dierks von der Universität Leipzig über den Balkan des 19. Jahrhunderts im Visier von drei Imperien: Österreich-Ungarn, Russland und dem Osmanischen Reich. Das türkische Herrscherhaus Osman habe seit der Eroberung Konstantinopels, der Hauptstadt des oströmischen und byzantinischen Reiches, bewußt an die Kaisertradition der Römer angeknüpft. Das Herrschaftsgebiet des Balkans sei dabei von zentraler Bedeutung gewesen. Zeitweise habe das imperiale Denken der Osmanen sogar dazu geführt, dass sie den Kaisertitel der Habsburger in Frage gestellt und diese nur als „König von Wien“ tituliert hätten. Vor allem unter Abdul Hamid II. sei dies durch einen verstärkten Pan-Islamismus noch verschärft worden. Russland nannte Dierks ein klassisches Imperium mit expansiven Zügen, das den Zarentitel nicht nur durch die westliche Bezeichnung „Kaiser“, sondern auch durch den Panslawismus angereichert habe. Moskau habe sich als Beschützer der Slawen im Osmanischen Reich empfunden. Bei Österreich-Ungarn könne man streiten, ob es ein auf Eroberung angelegtes Imperium im eigentlichen Sinne gewesen sei, doch habe es nicht zuletzt in Bosnien-Herzegowina nach dessen Annexion sehr stark auf seine zivilisatorische Tradition in der Mitte Europas abgehoben.

Sehr gut gefüllt war der Veranstaltungsraum im Kloster Andechs (Foto: Stefan Zwinge)

Die Religionswissenschaftlerin Dr. Angela Ilić setzte sich mit den verschiedenen Bedeutungen des Wortes Balkan auseinander. „Balkanisch“ werde vielfach im Sinne von „unzivilisiert, rückständig, kämpferisch und zerstörerisch“ gebraucht. Dabei sei dieses Gebiet seit alters her zwar auch Konfliktherd, vor allem aber Begegnungsraum von Volksgruppen und Religionen, die sich gegenseitig kulturell bereicherten. Die Mystifizierung und Orientalisierung der Region in der westlichen Welt, vor allem im angelsächsischen Sprachgebiet, habe dies vielfach aus dem Bewußtsein verdrängt, bis hin zu Samuel Huntington, der in seinem Buch über den Kampf der Kulturen extrem die Bruchlinie betont habe, die sich durch den Balkan ziehe. Ilić trat Stereotypen entgegen, wonach solche Prägungen unvermeidlich seien und sich immer wiederholen würden, sodass die internationale Gemeinschaft nichts dagegen tun könne. An etlichen Beispielen belegte sie das Gegenteil: Es sei durchaus möglich, Haltungen zu überwinden und Konflikte aufzuarbeiten. Allerdings lasse sich nicht leugnen, dass das Staat-Kirche-Verhältnis sich im Bereich des westlichen Christentums nach wie vor völlig anders gestalte als im orthodoxen Bereich. Dort werde von „kanonischen Territorien“ ausgegangen beziehungsweise von einer festen Bindung bestimmter Kirchen an bestimmte Nationen. Sich als Nationalkirche zu definieren, sei aber laut der Synode von Konstantinopel 1879 eigentlich eine Häresie.

Über die aktuellen geostrategischen Herausforderungen referierte Generalleutnant a.D. Erhard Bühler, Präsident der Clausewitz-Gesellschaft und ehemaliger Kommandeur der KFOR-Streitkräfte im Kosovo. Diese ließen sich nicht auf Südosteuropa einengen. Europa sei eine kleine Halbinsel des euroasiatischen Doppelkontinents und der Balkan wiederum eine kleine Halbinsel Europas. Viele Kommentatoren sprächen mit Blick auf die Gefahren, die von Putins Russland gerade auch für dieses Gebiet ausgingen, gerne von einem Zurück in den Kalten Krieg. Die Lage stelle sich aber viel gefährlicher und viel unübersichtlicher dar als damals: „Die Zeit der kooperativen Sicherheit mit Russland ist vorbei.“ In der Ukraine verteidige Europa seine ureigensten Interessen: „Sollte sie gegen Russland verlieren, würde dies erhebliche militärische Gefahren und Millionen von Flüchtlingen nach sich ziehen.“ Der General kritisierte anhand von Beispielen, wie Serbiens Präsident Alexander Vučić die nationalistische Karte spiele. Der Regierung des Kosovo riet er, sich enger mit ihren Freunden und Verbündeten abzustimmen und die kommunale Ebene besser zu informieren und einzubinden. Auf die neue EU-Kommission setzte Bühler die Hoffnung, „dass sie die großen Probleme besser löst als die Herren Lajčak und Borrell und nicht an den technischen Fragen hängenbleibt.“ Nationale Engstirnigkeit, egal auf welcher Seite sie sich durchsetze, verhindere Investitionen und schade der Sicherheit.

Pater Valentin Ziegler OSB gedachte anlässlich ihres 850. Geburtstags der in Andechs geborenen Heiligen Hedwig von Schlesien, die durch Tugenden wie die „Gerechtigkeit, die jedem gibt, was er braucht“, und die Autorität, die ihr ermöglicht habe, in ihrem Herzogtum verschiedenen Nationalitäten einen Platz zu bieten, bereits Elemente der zukünftigen EU erarbeitet habe. Deshalb habe Papst Johannes Paul II. ursprünglich sie als eine der drei Patroninnen Europas vorgeschlagen. Das Haus Andechs-Meranien, dem sie entstamme, habe seinen Besitz bis an die Adria ins heutige Istrien und Dalmatien ausgeweitet und damit in die Nähe der Gebiete gereicht, mit denen sich die Tagung befasse. Hedwigs Mut zum Dienen und ihre Zuwendung zum Notleidenden solle dazu inspirieren, dass in einem einigen Europa „jeder das Seine leben darf und soll und wir doch zusammenstehen in einer gefährlichen Welt.“ Zu dieser guten Balance trügen insbesondere Kommunikation und Begegnungen bei, wie sie die Paneuropa-Union in großer Treue durchführe.

Angekündigt von Sadija Klepo, der Gründerin der Münchner Balkantage, entführten Vater Samir und Sohn Tonio Dobrostal aus dem kroatischen Virovitica mit ihrer Balkan-Soulband “Bonita“ die Gäste auf eine musikalische Reise durch die verschiedensten Länder und Regionen Südosteuropas. Das anschließende Abendessen von Klosterwirt Ralf Sanktjohanser mit dem berühmten Andechser Bier schlug hingegen die Verbindung zurück nach Bayern.

Paneuropa-Bundesgeschäftsführer Johannes Kijas bei der Lesung im Rahmen des Festgottesdienstes am Sonntag in der Wallfahrtskirche Andechs (Foto: Stefan Zwinge)

Den Gottesdienst in der Andechser Wallfahrtskirche, der diesmal dem 850. Geburtstag der Heiligen Hedwig gewidmet war, zelebrierte der katholische Bischof des Kosovo, Dodë Gjergji, der besonders darauf verwies, dass die Heilige ihren Ruhm nicht durch das Sichern einer hohen Position erreicht habe, sondern durch Opfer und Dienst am Anderen: „Unsere Gesellschaft braucht eine Reflexion, um Erfüllung und Ehre durch die Macht der Liebe zu suchen. Der heutige Mensch ist häufig in einen Käfig des Egoismus eingesperrt.“ Hedwig, die den Tod ihres Ehemanns und ihres Sohnes erleben musste, „gab nicht der Verzweiflung nach, sondern fand durch den Glauben die Kraft, auf neue Dinge zu hoffen. Sie verwandelte ihren Schmerz in Energie, um anderen Trost und Hilfe zu bringen, und habe dadurch selbst Trost gefunden.“ Die Paneuropäer rief der Bischof besonders dazu auf, darauf hinzuwirken, dass „jede Nation ihren Beitrag leistet, durch die Stärke und Kraft der Liebe positive Veränderungen für Gesellschaft und Familie zu bewirken und unsere Pluralität zu retten.“

Das abschließende Podium, das die provokative Frage „Kann uns der Balkan egal sein?“ aufwarf, moderierte der Europa- und Verfassungsrechtler Dirk H. Voß, internationaler Vizepräsident der Paneuropa-Union, der zu Anfang auf den Aktionsplan des Westbalkan-Gipfels wenige Tage zuvor in Berlin verwies. Die Heranführung der Länder Südosteuropas dauere lang und sei von politischen Schwierigkeiten begleitet, es gebe aber auch Lichtblicke. So habe im wirtschaftlichen Bereich der Warenaustausch mit der EU enorm zugenommen. Zudem könne die deutsch-französische Aussöhnung, die am Anfang der europäischen Integration stehe, Anregungen bieten beim Lösen der fast unlösbaren Aufgabe, von der Erbfeindschaft zur Freundschaft zu finden.

Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina, Bundesminister a.D. Christian Schmidt, kritisierte „nicht die EU, aber unsere Politik: Wir haben in Wahrheit den Westbalkan nicht politisch ernst genommen. Unsere letzte Balkan-Causa war der erfolgreiche Versuch, Kroatien in die EU aufzunehmen.“ Dabei dürfe auch der Name von Premier Ivo Sanader erwähnt werden. Danach habe man sich nicht mehr engagiert, weil man keine neuen Beitritte mehr wollte – was sich jetzt räche, weil die Sicherheitsrisiken in der Region „von außen nicht mehr kalkulierbar“ seien, insbesondere „weil Putin mit der friedlichen Zukunft der Region spielt“.

Bernd Posselt und Bischof Dodë Gjergji (Foto: Johannes Kijas)

Bosnien-Herzegowina, eine Art Jugoslawien im Kleinen, bestehe aus den drei Volksgruppen der Kroaten, Bosniaken und Serben, die miteinander ihr Auskommen finden müssen. Manchmal verliere es sich in Streitereien, sodass sogar die Gefahr bestehe, ob das Geld für den Wachstumsplan der EU abgerufen werden könne. „Deshalb kann es nicht der Weg sein, zu sagen, wir kennen keine Unterschiede mehr, es gibt nur Staatsbürger. Wir müssen versuchen eine demokratische Struktur einzurichten, die auch die ethnischen Befindlichkeiten achtet“, erklärte der Hohe Repräsentant, der in dieser Sache zur Zeit einem Shitstorm ausgesetzt ist, er würde die Demokratie verraten. Eine energische Absage erteilte er auch Vorstellungen „wie von Woodrow Wilson“: „Wer glaubt, durch Gebietsverschiebungen neue Stabilität zu erreichen, hat keinen Funken Ahnung von der Situation und ignoriert die Geschichte. Damit würde man ein Niemandsland schaffen, wo wir Ausgleich der Ethnien brauchen.“

Zuletzt mahnte Schmidt dringend zur Eile im Beitrittsprozess, der seit 2003 stagniere und wo nunmehr eine Lösung für die Ukraine gefunden werden müsse. „Wir haben nicht die Zeit zu warten, bis die letzte EU-Regelung übernommen ist, wir dürfen aber auch nicht die Augen zudrücken. Deshalb müssen wir zumindest sehr rasch eine Möglichkeit finden, die Länder in die Sicherheitspolitik einzubeziehen. Wenn wir weitere zwanzig Jahre eine solche Erweiterungspolitik betreiben, haben wir dort kein Niemandsland, sondern wegen Frustration und Abwanderung niemanden mehr im Land!“

Der kroatische Generalkonsul in München, Vladimir Duvnjak überbrachte die Grüße des Premiers und Paneuropäers Andrej Plenković, „seit der letzten Wahl der dienstälteste Ministerpräsident in Europa“. Das von Duvnjak verlesene Statement des kroatischen Außenministeriums betonte, dass Kroatien nach dem eigenen langen, aber erfolgreichen Weg in EU, NATO, Schengen und Euro – was nur 15 EU-Ländern bisher gelungen sei –, den EU-Beitritt aller seiner Nachbarn nachdrücklich unterstütze, der eine „strategische Investition in den Frieden“ sei. Es sei entscheidend für ihre Glaubwürdigkeit, dass die EU standhaft für die europäische Perspektive des Raumes eintrete; sonst überlasse sie ihn fremden und nichtdemokratischen Mächten mit strategischen Interessen, die zur politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung führen müssten. Eine weitere Vernachlässigung der Region könne sie sich nicht leisten. Der Beitrittsprozess sei anstrengend, aber gerecht und begleitet von Unterstützungen, die hilfreich seien, um die Reformen umzusetzen. Hier habe die Europäische Union viel geleistet. Dringend nötig seien gutnachbarliche Beziehungen unter den Kandidaten und das Überwinden von demokratischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Spannungen sowie die Lösung strittiger Fragen. Ziel sei die europäische Integration der gesamten Region ohne Teilung aufgrund von geschichtlichen Vorbildern und Streitigkeiten.

Podium v.l.n.r.: Militärdekan Siegfried Weber, der Hohe Repräsentant Christian Schmidt, Dirk Voß, Bischof Dodë Gjergji, Andreas Raab und Generalkonsul Vladimir Duvnjak (Foto: Johannes Kijas)

Militärdekan Siegfried Weber vom katholischen Militärdekanat Berlin schilderte seinen Zugang zur Podiumsfrage anhand von Stationen seines Lebens: Als Kind habe er „nicht gewusst, dass es den Balkan gibt“ aber als Sohn eines Badeners und einer Sudetendeutschen Spannungen zu Franzosen und Tschechen gespürt. Der Naherwartung seiner vertriebenen Familie, bald wieder „hoam“ in den Böhmerwald zu gehen, habe er zugestimmt: „Ich wusste zwar nicht, wo das ist, aber da wollte ich mit.“ Später habe ein jüngerer Bruder seiner Mutter eine Jugoslawin geheiratet. Bei Tante Anja in der Nähe von Mostar habe er gesehen, „dass es dort neben der katholischen Kirche noch eine kleine andere gibt und auch noch eine Moschee.“ Nach seiner Priesterweihe sei er als Militärseelsorger in den Kosovo gegangen, wo er wieder zweierlei Kirchen und Moschee vorgefunden und Kontakt zu den einheimischen Katholiken und auch zu Orthodoxen und Muslimen angeknüpft habe: „Da wurde der Balkan für mich persönlich wichtig aus der religiösen Sicht!“ Seither beschäftige ihn die Idee, was die Religionen im Miteinander erreichen könnten, wie es bei der deutsch-französischen und der deutsch-tschechischen Verständigung gewesen sei. Er selbst sei von tschechischer Seite ins Domkapitel von Budweis berufen worden. Dagegen stehe das „verwerfliche Beispiel“ etwa des Patriarchen Kyrill, der Religion zur Steigerung des Nationalismus missbrauche: „So eine Einstellung dürfen wir nicht zulassen.“ Menschen guten Willens könnten „einen entscheidenden Beitrag leisten im Dialog miteinander, ob sie jetzt Christen, Muslime oder Juden sind!“

Bischof Dodë Gjergji nannte den Balkan eine „Achillessehne“ für Europa, nämlich Stärke und Schwäche zugleich. Wegen seiner unsicheren Vergangenheit sei sein geheimer Wunsch Frieden und Freiheit. Deshalb sei für ihn die Versöhnung der Völker besonders wichtig. Leider hätten aber auch heute etliche Politiker und auch religiöse Anführer eher die Geostrategie im Auge als „die Menschen, die eine Zukunft brauchen“. In Bosnien-Herzegowina sei bei gleicher Sprache die kroatische Volksgruppe katholisch und nach Zagreb, die serbische orthodox und nach Belgrad orientiert, die muslimische sei auf der Suche nach einer muslimischen Identität. Die Albaner hingegen seien zunächst eine ethnische Gruppe, die mehreren Religionen angehöre und in mehrere Staaten aufgeteilt sei, sodass Religion und andere Differenzen keine so trennende Rolle spielten.

Der deutsche Paneuropa-Vizepräsident Andreas Raab, Koordinator Donau-Save im Ulmer Donaubüro und lange Jahre der Leiter Politik und Berichterstattung der OSZE in Mazedonien, bekannte, dass auch bei ihm die sudetendeutsche Vergangenheit seiner Familie dazu geführt habe, dass er 1991 angesichts des serbischen Angriffs auf Vukovar begonnen habe, sich gegen Vertreibung und für das europäische Friedensprojekt zu engagieren. Unter anderem arbeite er im Südosteuropa-Arbeitskreis der Paneuropa-Union seit über 30 Jahren für den westlichen Balkan. Dies sei keine Sisyphusarbeit, weil er dadurch viele wunderbare Paneuropäer kennengelernt habe wie den Philosophen Ibrahim Rugova, der gegen ein brutales Regime gewaltlos am unabhängigen Staat Kosovo gebaut habe; den mazedonischen Präsidenten Boris Trajkowski, der in ein Land mit 2 Millionen Einwohnern fast 400 000 kosovarische Vertriebene aufgenommen und später zwischen Mazedonen und Albanern seines Landes den Frieden von Ohrid vermittelt habe, oder den Serben Vojslav Mitić, der gegen den Nationalismus seines Landes die Paneuropa-Idee vorantrieb und dafür schwere materielle Nachteile in Kauf nahm. Raab belegte mit erschütternden Zahlen das Problem der Abwanderung der Jugend, die ein europäisches Leben führen wolle und das in der Heimat zum Teil nicht könne.

Von Kollegiumsmitglied Stephanie Waldburg, Paneuropa-Pressestelle

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