Werdet EU-Beauftragte für eure Bürgerinnen und Bürger vor Ort

Frau Sara Hoffmann-Cumani, seit 2021 Trägerin des FEK-Freiheitsrings, wendet sich heute an die Leserinnen und Leser des EUROjournals mit dieser Botschaft. Die SPD-Stadträtin der Hochschulstadt Garching bei München ist seit kurzem die erste oberbayerische EU-Beauftragte ihrer Stadt, eine von erst ganz wenigen in Bayern. Im folgenden Beitrag stellt sie die Voraussetzungen für die Einrichtung eines solchen Amtes vor und gibt einen Bericht zu den ersten Maßnahmen, die sie in ihrem neuen Amt begleitet hat. Möge dieses Engagement viele Nachahmerinnen und Nachahmer finden.

„Europa fängt in der Gemeinde an“ ist ein Netzwerk aus gewählten Lokalpolitiker*innen, die EU-Inhalte vor Ort vermitteln sollen. Schon über 1.100 Gemeinderät*innen in ganz Europa halten das Amt inne, aber in Bayern ist noch viel Luft nach oben: Denn momentan sind je ein*e Vertreter*in in Unter- und Ober- und Mittelfranken und Oberbayern benannt. Schwaben ist mit neun Sitzen am besten vertreten, die Oberpfalz und Niederbayern haben noch keine Benennung, zumindest laut der aktuellen Kartografie1. Ich möchte die Leserinnen und Leser dazu anregen, ihre kommunalpolitischen Vertretungen auf dieses Netzwerk hinzuweisen und sie zu ermutigen, daran teilzunehmen. So wird ihre Gemeinde und Stadt ein europäischer Leuchtturm für die Demokratie vor Ort, und das nicht nur kurz vor den Europawahlen.

Interaktive Webseite mit allen lokalen Mitgliedern „Europa fängt in der Gemeinde an“. In Englisch wird das Netzwerk mit BELC (Building Europe with Local Councillors) abgekürzt. Gemessen an der Einwohnerzahl besteht in der BRD, aber auch dem Freistaat Bayern, offensichtlich Nachholbedarf.

Was bietet das Netzwerk BELC?

Das Projekt der Europäischen Kommission BELC (Building Europe with local councillors) ermöglicht Gemeinde- und Stadträt*innen, sich zwischen Lokalpolitiker*innen auszutauschen und Informationen zu EU-bezogenen Themen zu beziehen und zu verbreiten. Wir fördern die Debatten über diese Themen und die Zukunft Europas und schaffen somit einen europäisch geprägten öffentlichen Raum. Mitglieder des Netzwerks werden zu Online-Veranstaltungen und finanzierten Reisen nach Brüssel und Straßburg eingeladen. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und das Amt endet jeweils mit dem Gemeinderatsmandat. Über das lokale Europe Direct Büro und Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments kann man sich mit Material versorgen lassen und Unterstützungen für EU-Veranstaltungen erhalten.

Wolfgang Bücherl, Sara Hoffmann-Cumani

Sara Hoffmann-Cumani mit Wolfgang Bücherl, Regionalvertreter der Europäischen Kommission in Bayern und Baden-Württemberg am EuropaRad anlässlich einer Veranstaltung am 11. Mai 2025 (Foto: SHC).

Gemeinden jeder Größe werden ermutigt, insbesondere kleinere mit unter 100.000 Einwohner*innen, die weniger von der Öffentlichkeitsarbeit der EU erreicht werden, sich zu bewerben und Mitglied zu werden.

Wie funktioniert die Bewerbung?

  • Bewerbungsformular als lokale/regionale Behörde oder als gewählte*r Politiker*in ausfüllen und die
  • Erklärung mit der Unterschrift des designierten Gemeinderatsmitglieds und des gesetzlichen Vertreters der lokalen Behörde abschicken.

Sobald eine lokale Behörde und ihre ausgewählten Ratsmitglieder als Partnerstelle und Mitglieder des Projekts angenommen wurden, erhalten diese:

  • Materialien, um öffentlich auf die Teilnahme am Projekt hinzuweisen, bestehend aus einem auszudruckenden Zertifikat und einem Roll-up für die lokale Behörde.
  • Einen Eintrag als Projektmitglied auf der öffentlichen Website.
  • Zugriff auf eine Online-Informationsplattform FUTURIUM.
  • Regelmäßig E-Mails mit Materialien und aktuellen Informationen zu den Projektaktivitäten.

Zudem werden die Gemeinderatsmitglieder nach ihrer Aufnahme über ihre Interessen und ihren Informationsbedarf befragt. Je nach ihren Antworten werden sie anschließend zu thematisch passenden Online- und Offline-Treffen eingeladen.

Eine genaue Beschreibung zum Projekt und den Formalitäten findet sich in einer Powerpoint-Datei, die auch für die Präsentation und den Antrag im Gemeinderat genutzt und individualisiert werden kann.

Was wird von Mitgliedern des Netzwerkes erwartet?

  • Dass sie in ihrem Wahlkreis und mit Lokalmedien über allgemeine politische Initiativen und Maßnahmen der EU debattieren.
  • Dass sie Politik, Aktivitäten und Initiativen der EU anhand zutreffender Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen objektiv vorstellen.
  • Dass sie sich ins Netzwerk einbringen, indem sie beispielsweise ca. zweimal jährlich an einer Umfrage teilnehmen.

Zusätzlicher Zugang zu einem weiteren regionalen und lokalen Netzwerk:

Das Netzwerk „Europa fängt in der Gemeinde an” profitiert von der engen Koordination mit dem Europäischen Netz der regionalen und lokalen EU-Beauftragten” des EU-Ausschusses der Regionen.

Das Europäische Netz der regionalen und lokalen EU-Beauftragten wurde 2021 vom Europäischen Ausschuss der Regionen eingerichtet. So sollen beispielsweise Gemeinderatsmitglieder über EU-Politik informiert und bei Aktivitäten mit EU-Bezug unterstützt werden. 

Während sich das Netzwerk „Europa fängt in der Gemeinde an” hauptsächlich auf die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern konzentriert, dient das Netzwerk des Ausschusses der Regionen dazu, Verknüpfungen mit der Arbeit der Ausschussmitglieder zu schaffen.

Man kann Mitglied beider Netzwerke sein! Persönlich würde ich mich wirklich freuen, wenn wir in Bayern eine starke demokratische pro-europäische Stimme werden und diese gestalten.

Was kann man als EU-Beauftragte oder -Beauftragter konkret tun? Mein erster Erfahrungsbericht

Mit einer Presseerklärung begann der Auftakt unserer Netzwerkarbeit in Garching. Leider sind wir noch nicht auf der digitalen Karte als Mitglied sichtbar, da die Plattform einen Strukturumbau vollzieht und sich die Pflege der Daten verzögert. Der Europa-Mai und die Nähe zu München gab uns mit Ausstellungen, Lesungen, Filmvorführungen, Gesprächs- und Musik-Events u.v.m. reichlich Anlass zur Kommunikation.

Am Neubürgerempfang der Stadt Garching am 9. Mai gab es den ersten EU-Infostand mit Informationen über die Garchinger Nationalitätenvielfalt ihrer Bürgerinnen und Bürger, mit Landkarten, Pixibüchlein, Spielen und Hintergrundinformationen über Europa und ihre Institutionen. Hier danke ich Frau Hegyesi von Europe Direct München sehr für ihre Unterstützung. „In Vielfalt geeint“ lautet das Motto Europas seit 2000 und auch wenn dieser Spruch nicht am Stand zu lesen war, so zog er scheinbar unsichtbar unzählige Bürgerinnen und Bürger an den EU-Infostand. Es ergaben sich viele sehr persönliche Gespräche, alle getragen von dem großen Wunsch nach einem friedlichen und starken Europa.

EU-Infostand am Neubürgerempfang der Stadt Garching (links), Infostand der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und der Max-Mannheimer-Mittelschule Garching mit Kommunikationstrainer Thomas Purucker und Lorenz Hahn vom FES Büro München (Fotos: SHC).

Ein besonderes Highlight war die Teilnahme der 10. Klässler:innen der Max Mannheimer Mittelschule Garching am 11. Mai, die zu einem Wertedialog im EuropaRad im Werksviertel München einluden. Dieses jährliche Fest findet im größten Riesenrad Europas, im UMADUM, statt. In den Gondeln boten Institutionen wie bayerische Ministerien, EU-Vertretungen, Universitäten, öffentliche Einrichtungen, NGOs oder Stiftungen 20minütige Workshops an, passgenau für eine Rundfahrt. In den Gondel-Workshops und den Zelten wurde mit den Bürgerinnen und Bürgern über Europa rege diskutiert und informiert. Die Garchinger Schüler:innen stellten ihr visuelles Projekt „Waage der Gleichberechtigung nach Artikel 3 GG“ in der Gondel vor und kamen mit den Mitfahrenden in ein intensives Gespräch und einen Erfahrungsaustausch über erlebte Ausgrenzungen jeglicher Art: Chancengleichheit, Fairness, Gender pay gap, Inklusion, alllivesmatter, unterschiedliche Wurzeln, Gleichheit vor dem Gesetz, u.v.m.. Meist folgte ein Gespräch über ganz persönliche Wünsche, was die Gesellschaft für mehr gelebte Gleichberechtigung bräuchte und wie man dies erreichen könnte. Besonders gefreut hat mich an diesem Projekt, das von der Friedrich-Ebert-Stiftung München realisiert und von mir und dem Kommunikationstrainer Thomas Purucker begleitet wurde, dass die Schüler:innen sehr viele positive Rückmeldungen von den Bürger:innen und den beteiligten Einrichtungen erfahren haben. Ihre Arbeit wurde mit höchstem Interesse außerhalb ihres Schulkontextes wahrgenommen. An dieser Stelle ist der Konrektorin Frau Kleber herzlich für ihre Unterstützung und Begleitung zu danken.

Vitrinen-Ausstellung mit Material aus dem Büro Europe Direct und der Bundeszentrale für politische Bildung (Zeitstrahl zur Entstehung der EU und die Hymnen der verschiedenen Nationen) (Foto: SHC).

Das Kulturreferat der Stadt Garching ermöglicht dankenswerterweise die Sichtbarkeit der EU-Arbeit mit Ausstellungen in den U-Bahnvitrinen. Dort können über das Jahr verteilt EU-Projekte aus der Stadtgemeinschaft und Infomaterial der EU-Institutionen gezeigt werden. Die erste Ausstellung bestand aus der Projektvorstellung „Europa fängt in den Gemeinden an“, der Einladungen zu den Europa-Mai-Aktionen in München, Informationen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die jungen Leute und einer Ausstellung über die Hymnen der europäischen Länder.

Das Ehepaar Cumani mit Dr. Ingo Friedrich, der nicht nur auf eine 30jährige Parlamentstätigkeit zurückblicken kann, sondern auch 1979 den Initiativantrag für eine einheitliche Europaflagge gestellt hatte. 1983 wurde die von ihm erdachte und uns bekannte blaue Flagge mit den 12 goldenen Sternen feierlich gehisst (Foto: Wolfgang Otto).

Am 17. Mai folgte die Einladung zu den Neudrossenfelder Europatagen in Oberfranken, an denen nicht nur die Ortsgemeinschaft ein dreitägiges Europafest feierte, sondern auch die Übergaben von FEK-Europamedaille Kaiser Karl IV. und FEK-Freiheitsring festlich gewürdigt wurde. Nicola Beer, Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) und I.E. Botschafterin Sylvie Lucas aus dem Großherzogtum Luxemburg wurden mit der FEK-Europamedaille beehrt. Der FEK-Freiheitsring 2025 ging an den luxemburgischen Sammler und Autor Jean Louis Schlim.

Im Juli ist ein EU-Spielestand am Straßenfest in Garching und im Herbst die Wanderausstellung „EU on tour“ geplant. Über Erasmus+ für Auszubildende zuinformieren und zu werben ist mir ein Herzensanliegen, denn es ist noch viel zu wenig bekannt und genutzt. Dafür versuche ich die Weichen zu stellen, damit ab dem nächsten Jahr diese Angebote mehr gesehen werden.

Nun grüße ich die Leserschaft herzlich aus Garching bei München und freue mich, wenn das Netzwerk auch Dank Ihrer Netzwerkarbeit gedeiht.

Von Kollegiumsmitglied Sara Hoffmann-Cumani

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