Seit 17 Jahren gibt es den Goslar-Diskurs, der stets ein interessantes Themenfeld prägt. Das historische Ambiente des Klosters Wöltingerode in Vienenburg war dafür erneut der richtige, etwas abgeschiedene Ort, um im Expertenkreis zu diskutieren, wie man mit immer größeren Datenmengen umgeht und ob sie Fluch oder Segen sind. Eingeladen dazu hatte unter dem Motto „Big Data in der Mobilität“ das Goslar Institut, eine „Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern“.
Und mit Prof. Dr. Nadine Gatzert (Uni Erlangen-Nürnberg), Prof. Dr. Susanne Knorre (Hochschule Osnabrück), Prof. Horst Müller-Peters (Technische Hochschule Köln), Prof. Dr. Fred Wagner und Dr. Theresa Jost (beide Uni Leipzig), sowie Dr. Kerstin Bartels von der HUK Coburg als Moderatorin, waren kompetente Fachleute aus Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft präsent. Die in einer spannenden Runde die „Datenspuren der Verkehrsteilnehmer und Ansprüche der Stakeholder“ vorstellten, und schwerpunktmäßig – was lag näher – die Mobilität per Auto mit all den Daten ins Blickfeld rückten. Denn so stark wie nie ist derzeit Mobilität im Gespräch, die Zukunft wird dies noch verstärken.
So werden Autos immer mehr zu „rollenden Datenspeichern“, macht die Digitalisierung sie zu Datenzentren, die nahezu alles verarbeiten. Von gefahrenen Strecken, Standorten, der Beleuchtungsdauer und Gurtstraffungen bis zur Batteriespannung und Fehlerspeichereinträgen. Der ADAC bezeichnet daher moderne Autos immer mehr als Computer auf Rädern. Dabei ist es gar nicht so einfach mit dem Umfang von „Big Data“, denn manches muss sogar von Gesetzes wegen gespeichert werden: Wie die Erfassung des Kraftstoffverbrauchs wegen der Emissionsvorgaben oder ein Unfall-Datenspeicher, der seit Juli 2022 in neu zugelassenen Pkws detaillierte Daten zur Geschwindigkeit, Beschleunigung und Drehungen des Fahrzeugs sammelt. Und eines ist nach Ansicht der Insider ziemlich sicher: Man kann davon ausgehen, dass Fahrzeuge der Zukunft noch deutlich mehr Informationen erfassen und weitergeben werden. Wobei umstritten bleibt, welche Regeln für den Umgang mit diesen Daten explizit gelten sollen.
Verbraucherbefragungen für das „Grünbuch“ des Goslar Instituts hätten gezeigt, dass bei den Nutzern grundsätzlich der Wunsch besteht, auch größere Mobilitätsdaten zu teilen, jedoch unter Beachtung eigener Entscheidungsfreiheit über die Verwendung der Informationen. Für leichteren Zugang könnte aus Sicht der an der Studie „Big Data in der Mobilität“ beteiligten Wissenschaftler nicht zuletzt ein Anreiz und Ansporn sein, die Mobilitätsdaten weiterzugeben, um den Verbrauchern einen direkten Vorteil zu ermöglichen. Ein sinnvoller Austausch von Mobilitätsdaten zwischen Autos, anderen Verkehrsteilnehmern, Herstellern, Zulieferfirmen und Dienstleistern, sollten sicher und fair zugänglich sein.
Die Protagonisten des Abends (von links): Prof. Dr. Nadine Gatzert, Prof. Dr. Susanne Knorre, Dr. Kerstin Bartels, Prof. Horst Müller-Peters, Dr. Theresa Jost und Prof. Dr. Fred Wagner.
Wir nutzten den Diskurs, aus der Expertenrunde mit Prof. Dr. Fred Wagner zu sprechen, der insgesamt positiv auf das Thema schaut, die Digitalisierung in der Mobilität eine ganzheitliche Lösung für Kunden nennt, „sie erleichtert das tägliche Leben, macht es komfortabler“. Es würden sich dadurch sehr viel Potentiale für das Wohlbefinden der Menschen auftun. Der Nachteil, so Wagner: „Die Leute werden zusehends gläserner, man weiß bald alles über Lebensstil und Verhalten, wir werden manipulierbarer“. Der Wirtschaftswissenschaftler ist sich aber sicher, dass sich „Big Data“ durchsetzen wird. Es müssten dafür jedoch in der Gesellschaft Regeln eingeführt werden, die zum Vorteil der Beteiligten genutzt werden können, „ohne den Risiken allzu sehr zu unterliegen“.
Eine klare Meinung vertritt auch Dr. Jörg Rheinländer von der Führungsspitze der HUK Coburg, der dort für die Kfz-Versicherung zuständig ist. Er sagt im Fazit: „Die Vorteile großer Datensammlungen überwiegen“. Und weist als Beispiel auf das geplante 49 Euro-Ticket in Digitalform hin. Weil es in Deutschland mehrere 100 Verkehrsverbünde gebe, benötige man dazu eine umfassende Datenbank, „ohne sie geht’s nicht“. Die Politik versuche auch, die Mobilität unter Umweltaspekten zu lenken, „wir von der HUK haben einen ökologischen Tarif, sammeln dafür Daten wie Blätter an einem Baum und belohnen ökologisches Fahren“. Er sehe zwar Risiken bei großen Datenmengen, sei aber zuversichtlich, dass nicht allzu viel aus dem Ruder läuft. „Denn Deutschland hat das härteste Datenschutzgesetz der Welt, da kann man Risiken minimieren“. Es gelte, stets den Blick darauf zu werfen, was man mit den Daten macht und wie die weiteren Gesetze aussehen werden. Es bleibt also spannend in der Szene, rückwärts wird es sicherlich nicht mehr gehen.
Von Kollegiumsmitglied Horst Wunner
Zum Foto: Dr. Kerstin Bartels von der HUK Coburg moderierte mit leichter Hand (alle Fotos: Horst Wunner).