Seit vielen Jahren leistet unsere Partnerorganisation GPB Europaverein e.V. aus Eschweiler mit den „Nachrichten aus Europa“ einen aus dem EUROjournal pro management nicht mehr wegzudenkenden Beitrag. Anbei der neueste Überblick, wie die wichtigsten europäischen Themen in den führenden Publikationen der EU-Mitgliedsstaaten aufgenommen werden.
10. November 2023 – Was heißt das Ja zu Kyjiw für die EU-Erweiterung?
Die Empfehlung der EU-Kommission, trotz des laufenden Krieges in der Ukraine Beitrittsgespräche mit Kyjiw zu beginnen, beschäftigt Europas Presse weiter. Die vielen Reformen, die die Ukraine für den EU-Beitritt noch abschließen muss, werden dabei nicht als die einzige Hürde gesehen. Thema ist zudem der Status anderer Beitrittskandidaten.
Ukraine – NW – Keine Sonderkonditionen
Reformen sind für die Ukraine existenziell, erklärt der ehemalige Vizepremier und Minister für europäische Integration Oleh Rybatschuk bei NW:
„Ohne die großangelegte russische Invasion hätte die Ukraine nicht einmal den EU-Kandidatenstatus bekommen können. Das war eine politische Entscheidung. … Doch dass wir dank dem heldenhaften Kampf unserer Soldaten nun die Aussicht auf EU-Mitgliedschaft haben, bedeutet nicht, dass wir einen ‚Rabatt‘ auf den Beitritt bekommen. Wir müssen trotzdem die sieben von der EU-Kommission festgelegten Bedingungen erfüllen. Das beinhaltet Reformen in mehr als 30 Bereichen. Davon, wie wir diese Reformen umsetzen, hängt die Existenz der Ukraine als solche ab.“
Polen – Onet.PL – Der Traum vom Maidan wird wahr
Onet erinnert an die Ereignisse von 2013/14:
„Der friedliche Aufstand, an den sich die Ukrainer heute als ‚Revolution der Würde‘ erinnern, breitete sich im ganzen Land aus und versammelte jeden Sonntag Millionen von Menschen auf dem Maidan, die ‚Die Ukraine ist Europa‘ skandierten. … Blaue EU-Flaggen wehten auf den Barrikaden des Maidan. Zum ersten Mal in der Geschichte starben Menschen unter diesen Fahnen, deren größter Traum – neben der Absetzung eines Diktators – der Beitritt zu Europa war. [Der damalige Präsident] Janukowitsch floh an Bord eines von Moskau geschickten Hubschraubers nach Russland, und was der Maidan forderte, begann nur einen Monat später in Erfüllung zu gehen, als Kyjiw das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnete.“
Deutschland – Lost in Europe – Der Balkan muss weiter schmoren
Lost in EUrope kritisiert doppelte Standards in der EU-Erweiterungspolitik:
„[W]ährend die Ukraine, Moldau und Georgien je ein Feld vorrücken – Beitrittsverhandlungen für die ersten beiden, Kandidatenstatus für Nummer drei – muss der Westbalkan weiter warten. Nur Bosnien-Herzegowina darf vielleicht auf Beitrittsgespräche hoffen – wenn es die Bedingungen aus Brüssel umsetzt. Alle anderen Kandidaten müssen weiter im Wartesaal schmoren. Dabei mühen sie sich bereits seit 20 Jahren. Und schlechter als in Moldau sind die Bedingungen in Albanien oder Kosovo auch nicht. Eher im Gegenteil! Doch die Balkanesen stehen nicht im geopolitischen Fokus.“
Slowenien – Delo – Besser langsame Öffnung
Delo warnt vor Eile bei der Erweiterung:
„Der Beitritt eines großen und armen Landes, wie es die Ukraine ist, wäre für die Union ein zu großer Brocken. Außerdem kann man sich nur schlecht vorstellen, wie die EU handeln und entscheiden könnte, wenn sie ein halbes Dutzend weitere Länder aufnehmen würde. Realistischer ist es, dass sich die EU langsam den Kandidatenländern öffnet, zum Beispiel durch eine graduelle Aufnahme in den Binnenmarkt. Auf diese Weise wäre der Nutzen einer zukünftigen Mitgliedschaft für sie noch greifbarer und als solche eine Motivation für eine Transformation zu Hause. Eine zu große Hast beim Beitrittsprozess würde nur zu einem Scheitern der Erweiterung führen.“
Estland – Postimees – Für den Kreml droht eine Katastrophe
Auch Postimees freut sich:
„Dem Kreml ist gewiss nicht mehr zum Lachen zumute. Im April 2022 erklärte ein russischer General offen, dass die Kontrolle der südlichen Ukraine notwendig sei, um eine Landverbindung mit Transnistrien herzustellen. Der am 24. Februar begonnene Krieg richtete sich also nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen Moldau. Anderthalb Jahre später muss das Kreml-Kabinett zugeben, dass genau das geschieht, was sein Krieg verhindern sollte. … Der Beitritt der Ukraine und Moldaus zur EU wäre für Putin ein Verlust in der gleichen Größenordnung wie der Verlust der Krim.“
Tschechien – Denik N – Der Weg ist noch weit und mühsam
Deník N dämpft zu große Vorfreude:
„Die Ukraine und Moldau haben noch einen langen Weg vor sich. Die Ukraine befindet sich im Krieg, und weder sie noch Moldau erfüllen bisher die erforderlichen Kriterien und müssen weiter an Gesetzesänderungen arbeiten, die sie näher an die Union bringen. Im Fall der Ukraine sind es beispielsweise Gesetze zur Einschränkung der Macht von Oligarchen, der Korruption oder ein stärkerer Schutz nationaler Minderheiten. Aber die Hand, die die Union reicht, ist für das Land sehr wichtig. Es ist ein Signal dafür, dass die 27 EU-Staaten hinter dem Land stehen, das der beispiellosen Aggression mutig Widerstand leistet. Gleiches gilt für Moldau, ein Land, das Russland schon seit Längerem in seinen Einflussbereich zu holen versucht.“
Italien – La Repubblica – Stolperstein Ungarn
Budapest von Kyjiws Beitritt zu überzeugen wird nicht einfach, betont La Repubblica:
„Viktor Orbáns Ungarn hat bereits verlauten lassen, dass es definitiv nicht dafür ist. Schließlich ist der ungarische Premier seit langem der russische Rammbock in der EU. … Zunächst muss also mit Budapest verhandelt werden, das sicherlich eine Gegenleistung einfordern wird. … Im Übrigen war es gerade der Bericht der Kommission, der Orbán eine Waffe in die Hand gab. Zu den unerlässlichen Reformen, die noch nicht umgesetzt wurden, gehören die hohe Korruptionsrate, die Rolle der Oligarchen und der Schutz von Minderheiten. Und zufälligerweise lebt eine ungarische Minderheit in der Ukraine.“
Von Kollegiumsmitglied Annelene Adolphs