Wenn man mit dem Messeveranstalter RX France spricht, das Teil der amerikanischen Reed Gruppe ist, dem weltführenden Messeveranstalter aller Art, dann steht der Fortbestand der miptv auch im nächsten Frühjahr außer Frage. Viele Teilnehmer hingegen bezweifeln das sehr. Die miptv in Cannes ist die weltweit erste Entertainmentmesse, auf der internationale TV-Programme und audiovisuelle Formate weltweit gehandelt und Koproduktionen vorbereitet werden. Sie feierte in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag. Sie kämpft aber schon seit Jahren mit schrumpfenden Teilnehmerzahlen, während die offenbar deutlich marktgerechter liegende Schwestermesse mipcom im Oktober ihre Marktposition auch über Corona hinaus festigen konnte.

Messedirektorin Lucy Smith verkündete am Ende der miptv 5.650 Besucher, 1.000 und über 20 Prozent mehr als vor einem Jahr, noch innerhalb der Pandemie. Subjektiv ist das Bild aber ein anderes. Bei der Launch Party des Hollywood TV Dramas am Strand, „Paper Empire“ etwa, zu der extra die Hauptdarsteller nach Cannes gebracht wurden und die altes mip-feeling zu verbreiten versuchte, waren Gäste gegenüber den Veranstaltern in der Minderzahl. Serienstar Robert Davi, gefragt wie er mit so wenigen Premierengästen zurechtkäme, meinte trocken: „Jeder wartet auf die mipcom im Herbst.“ Die Eröffnungsparty, die während der Pandemie-miptv auf der oberen Etage des neuen Teils des Palais des Festivales gefeiert wurde, war in diesem Jahr als Geburtstagsparty im schräg gegenüber gelegene Hotel Majestic mit viel weniger Platz ausgerichtet. Es war voll, aber kein Gedränge wie im Jahr davor. Viele Restaurants blieben geschlossen und das, obwohl die Stadt Cannes bereits zum fünften Mal analog zum bekannten Filmfestival das TV Serien Fest Cannesserie veranstaltete. Außer am Palais und dem Strandboulevard La Croisette hinterließ das alles wenige Spuren in der Stadt. Auch andere Partys, mit Ausnahme der allabendlichen Cannesserie Sause am Strand, wirkten deutlich leerer als im vergangenen Jahr. Gerüchten zu Folge seien viele, die ihre Tickets bereits gebucht und bezahlt hatten, dann dennoch nicht angereist. Verifizieren ließ sich das allerdings nicht.

Von daher waren viele Stimmen hörbar, auch von Seiten namhafter Branchenanalysten, die jede Wette darauf abschließen, dass es eine nächste miptv nicht mehr geben wird. Der Markt habe sich zu sehr verändert, zu viel internationaler Wettbewerb und zu viel Kostendruck, so dass der Frühjahrstermin einfach keinen Sinn mehr mache. Es seien bereits eine ganze Reihe von Programmteilen, die traditionell bei der miptv angesiedelt waren, jetzt der mipcom zugeordnet würden. Das ist in der Tat ein deutliches Zeichen. Allerdings gibt auch die Programmverkäufer, die von vollen Terminkalendern und guten Verkäufen berichten. Unterm Strich kommt es den Veranstaltern auf diese Zielgruppe an und die spricht noch für eine Fortsetzung. Es gäbe allerdings noch eine andere Option: Das Serien Festival der Stadt macht nur in Anbindung mit der miptv überhaupt Sinn, die das ganze kommerziell einbindet. Gemunkelt wird daher, dass RX France die miptv an die Stadt übergeben könnte. Das ist schon einmal passiert, als die auch zu RX gehörende traditionsreiche Musikmesse midem, nur zwei Monate vor dem Start abgesagt und die Rechte daran an die Stadt Cannes übergeben wurde. Die Stadt wollte schon bald mit einem neuen Konzept das Format neu starten. Das ist bislang noch nicht passiert. Cannesseries zusammen mit miptv und midem das könnte in der Tat eine recht interessante Mischung ergeben.

Der aktuelle Stand ist allerdings, dass RX darauf insistiert, die miptv in seiner Regie und wieder mit einem stärkeren eigenen Fokus auf internationale TV Serien auch im kommenden Frühjahr wieder zu veranstalten. So oder so bleibt es spannend, vielleicht war das große Feuerwerk, das man aus Anlass der 60-Jahr-Feier in den Nachthimmel über der Croisette schoss, dann doch kein Abschiedsgruß.

Von Kollegiumsmitglied Dieter Brockmeyer

Zum Foto: Feuerwerk über Cannes zum Abschluss der Messe miptv (Quelle: © S. d’HALLOY / IMAGE&CO)

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