La France reconnaît l’Etat de Palestine“ (Le Monde, 24.9.2025). Wie von ihm am 24. Juli angekündigt, erklärte Präsident Macron am Eröffnungstag der UN-Generalversammlung am 22. September in New York die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Frankreich. Wenn alle israelischen Geiseln der Hamas frei seien und ein Waffenstillstand durchgesetzt sei, werde eine französische Botschaft in Palästina eröffnet werden. (FAZ, 24.9.2025) Diese Erklärung Macrons stellt einerseits den dramaturgischen Höhepunkt eines internationalen Prozesses dar, der als ‚Spaltung des Westens‘ im Hinblick auf den Nahostkonflikt bezeichnet werden kann: Haben mittlerweile rund 150 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Palästina anerkannt, sind es in der Gruppe der 7 (G7) mit Frankreich sowie dem Vereinigten Königreich und Kanada (die diesen Schritt, in enger Absprache mit Frankreich, bereits kurz zuvor vollzogen hatten) nun immerhin drei – wobei Japan in Aussicht gestellt hat, ihnen zu folgen; sobald Belgien, Luxemburg und Malta dem französischen Beispiel folgen (womit allenthalben gerechnet wird), erkennen 14 EU-Mitgliedstaaten, also bereits deren Mehrheit, Palästina an (was selbstverständlich nicht impliziert, dass diese Staaten per se einen monolithischen „propalästinensisch“-antiisraelischen Block innerhalb der Union bildeten). Andererseits legen die Reaktionen auf den diplomatischen Vorstoß des französischen Staatsoberhaupts innerhalb Frankreichs eine israel-/palästinapolitische Konstellation offen, die in der Sicht verschiedener Akteure ein immenses kulturkämpferisches Potential aufweist, und die v. a. die jüdische Bevölkerung des Landes unter Druck setzt.

Bemerkenswerterweise grenzte sich die politische Rechte Frankreichs (auch die an der Regierung beteiligte) unisono von Macrons Handeln ab, das sowohl von sämtlichen Protagonisten des RN als auch von einem moderaten Republikaner wie Xavier Bertrand als unnötiges Entgegenkommen gegenüber den Terroristen der Hamas gegeißelt wurde. Diese harschen Positionierungen entbehren nicht einer gewissen Ironie, denn die extreme wie auch die moderate bürgerliche Rechte zelebrieren hier jeweils einen politisch-kulturellen Traditionsbruch: In früheren Jahrzehnten wimmelte es in Jean-Marie Le Pens FN von ‚klassischen‘ Antisemiten, die ihrem Ressentiment durchaus auch ‚israelbezogen‘ – also durch Diffamierung des jüdischen Staates – Ausdruck verliehen. Was die gaullistische Rechte anbelangt, war ihr aus anderen Gründen ein – durch eine geopolitische Hinwendung zum ‚arabischen Raum‘ seit den 1960er Jahren genährter – antiisraelischer Affekt nicht fremd. Der von nahezu der gesamten Rechten des Zurückweichens gegenüber der Hamas (und einer extremistischen „Palästina-Solidarität“) geziehene Zentrist Macron hatte demgegenüber noch vor acht Jahren dem Antizionismus ausdrücklich als einer „neu erfundenen Form des Antisemitismus“ den Kampf angesagt und wird – bis heute – seitens der Linksparteien als aktiver Unterstützer Netanjahus angeprangert, dem man selbst die Anerkennung Palästinas gewissermaßen abgerungen habe.

Der PS-Vorsitzende Olivier Faure rief dazu auf, am Tag der Anerkennung Palästinas an den Rathäusern palästinensische Flaggen zu hissen – eine Provokation, der sozialistische Bürgermeister vielerorts – trotz Anweisung des geschäftsführenden Innenministers Bruno Retailleau an die Präfekten, solche Akte zu verhindern – gern nachkamen, so in Nantes, Rennes und Lille (FAZ, 23.9.2025). Unter dem Banner der Solidarität mit Palästina, des Protests gegen einen angeblichen israelischen Genozid, scheinen die – von der neuen Regierung Lecornu unumgänglicherweise verstärkt umworbenen – Restbestände der französischen Sozialdemokratie sich zumindest in erheblichen Teilen (innerhalb des PS äußert[e] sich freilich auch Widerspruch zu Faures Kurs) in einer Richtung zu radikalisieren, wie sie die spanische Sozialdemokratie in Regierungsverantwortung vorexerziert. Die Perspektive einer parlamentarischen Vereinigung der ‚moderaten‘ Kräfte der Rechten und der Linken zwecks Überwindung einer weitgehenden Handlungsunfähigkeit der derzeitigen Mitte-rechts-Regierung wird durch solche kulturkämpferischen Eskapaden konterkariert. Diese stoßen im Übrigen momentan offenkundig nur bei einer Minderheit auf positive Resonanz, wie eine vom jüdisch-französischen Repräsentativrat Crif in Auftrag gegebene Ifop-Umfrage jüngst erkennen ließ: Nur 29 % unterstützten eine sofortige Anerkennung Palästinas (von viel weiter gehenden Forderungen der „propalästinensischen“ Oppositionsparteien ganz zu schweigen), 71 % hingegen lehnten eine Anerkennung vor einer Befreiung der Geiseln und einer Entwaffnung der Hamas ab.

Auch innerhalb der Präsidentenpartei Renaissance hat sich Unmut über Macrons jüngste Handlungen artikuliert, die (wie immer sie motiviert sein mögen) auch innenpolitisch als Bestätigung der Agitation radikaler Israelfeinde verstanden werden können: „Die Barbarei des Pogroms vom 7. Oktober 2023 (…) hat uns an eine brutale Wahrheit erinnert. Es kann keinen Frieden ohne Sicherheit geben“, so die Renaissance-Abgeordnete Caroline Yadan. (FAZ, 20.9.2025) Die innerfranzösischen Debatten führen somit vor Augen, wie wenig es zutrifft, wenn auch hierzulande gern davon gesprochen wird, Deutschland begebe sich hinsichtlich seiner Beziehungen zu Israel zusehends in eine Isolierung, die auf einen „Schuldkomplex“ oder dergleichen zurückgehe, während „die Welt“ Israel ganz anders sehe. Tatsächlich sind es in Frankreich antirepublikanische Minderheiten, die den öffentlichen Raum im Sinne ihrer kulturkämpferischen Anliegen zu okkupieren trachten. Macron, der von diesen Kräften selbst fortlaufend scharf angefeindet wurde, hat ihnen im konkreten Fall wohl tatsächlich eine kleine Freude bereitet. In deutscher (oder auch österreichischer, tschechischer, italienischer …) Sicht wäre es nicht ratsam, ihm ausgerechnet in diesem Punkt zu folgen.

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