Die Europatage in Neudrossenfeld widmeten sich heuer dem Großherzogtum Luxemburg – FEK-Europamedaille Kaiser Karl IV. an Nicola Beer und Botschafterin Sylvie Lucas, FEK-Freiheitsring an Jean Louis Schlim

Trotz der Entscheidung der Bundesregierung, die Grenzkontrollen zu unseren Nachbarländern zu verschärfen, die aktuell von Seiten der Polizeigewerkschaft scharf kritisiert wird („nur wenige Wochen aufrecht zu erhalten“) und speziell in Luxemburg auf Unverständnis stößt: Die größte grenzüberschreitende Wirtschaftsregion Europas gilt gerade auch in Bayern trotz allem als Vorbild!

Nicht von ungefähr, und durchaus auch mit Blick auf historische Aspekte, standen die Neudrossenfelder Europatage der Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation (FEK) in Zusammenarbeit mit der namensgebenden Gemeinde, dem Landkreis Kulmbach und der IHK Oberfranken heuer ganz im Zeichen Luxemburgs. Die Botschafterin des Großherzogtums in Deutschland, Sylvie Lucas, wurde neben Nicola Beer, der Vizepräsidentin der in Luxemburg beheimateten Europäischen Investitionsbank (EIB), mit der FEK-Europamedaille Kaiser Karl IV. ausgezeichnet, während Jean Louis Schlim als Präsident des Luxemburger Vereins München und ausgewiesener Experte sowohl der luxemburgischen wie der bayerischen Geschichte mit dem FEK-Freiheitsring geehrt wurde.

Die Preisträgerinnen der FEK-Europamedaille Kaiser Karl IV., Nicola Beer und I.E. Botschafterin Sylvie Lucas, rahmen den neuen FEK-Freiheitsringträger Jean Louis Schlim ein. Die Laudatoren Dr. Ingo Friedrich, Botschafter a.D. Karel Boruvka und Prof. Dr. Wolfgang Otto freuen sich über die neuen Laureaten ebenso wie Bürgermeister Harald Hübner, Landrat Klaus Peter Söllner, FEK-Präsident Dr. Gerhard Krüger, Dieter Brockmeyer (DWI und EUROjournal) und Regierungspräsident Florian Luderschmid (Foto: Claudio Cumani).

Zuvor war u.a. das Kolloquium „Europa gestern, heute und morgen“ von dem Historiker und Juristen Bernd Rill mit einem eindrucksvollen Blick ins 15. Jahrhundert begonnen worden, als unter Georg von Podiébrad im Widerstreit zwischen römischem Katholizismus und dem vom Hussitentum gestützten böhmischen Königreich der Versuch einer „föderativen Revolution“ gewagt wurde. Dem Ziel eines dauerhaften Friedens dienten letztlich ja auch die Reichstage, die ab Ende des 16. Jahrhunderts nicht mehr an verschiedenen Orten, sondern nur noch in Regensburg stattfanden, und dies immerhin bis 1803.

Aktuell und speziell auf die Frage, was gerade die bayerisch-tschechische Grenzregion heute von dem Großraum „SaarLorLux“ lernen könne, verwies auch der Journalist und langjährige Moderator der Europatage, Gerd Otto, darauf, dass den Europäern angesichts der hinlänglich strapazierten Kontroversen, Krisen, ja sogar Kriegen in diesen Tagen mehr denn je der Verlust einer Idee droht, die ab den achtziger Jahren und vor allem in den Neunzigern unseren Kontinent zu einer besonderen Wohlfühl-Oase werden ließ. Zu einem Symbol dieser Zeit wurde vor diesem Hintergrund ein kleines Winzerdorf in Luxemburg, das ursprünglich Remerschen hieß, jedoch 2006 in Anlehnung an das 1985 hier unterzeichnete Abkommen kurzerhand in Schengen umbenannt wurde. Genau dort, wo das Saarland, Lothringen und Luxemburg das Dreiländereck bilden, liegt dieses Schengen. Und damit jeder die Stelle erkennt, wo Deutschland, Frankreich und das Großherzogtum aufeinandertreffen, wurde am Dreiländerpunkt sogar eine Boje in die Mosel gelassen. Mehr als um diese Äußerlichkeit, gehe es bei Schengen freilich um Inhalte, letztlich nämlich um europäische Freiheit, konkret um den Wegfall systematischer Personenkontrollen an den Binnengrenzen in Europa. Letzten Endes stehen damit auch die vielzitierten grenzüberschreitenden Lebens- und Wirtschaftsräume auf dem Spiel – wie rund um Luxemburg, wo derzeit täglich 50 000 Deutsche ins Großherzogtum pendeln.

Die Region „SaarLorLux“ umfasste ursprünglich nur das Saarland, die Region Lothringen und das Großherzogtum Luxemburg und beruhte anfangs vor allem auf der Montanunion der Europäischen Gemeinschaft. Inzwischen hat sich dieser Raum zur Großregion „Saarland-Lothringen-Luxemburg-Rheinland-Pfalz und Wallonien mit der französischen und deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens“ entwickelt. Hier existiert eine Vielzahl von Netzwerken mit den Zielsetzungen der politischen, kulturellen, gesellschaftlichen und – nicht zuletzt – der wirtschaftlichen Integration.

Ebenso wie das Saarland mussten sich auch Frankreich und Luxemburg dem Strukturwandel stellen. Nach den Erfahrungen der IHK Saarland haben sich diese Länder freilich, obwohl ab dem Jahre 1951 ebenfalls von der Montanindustrie geprägt, in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Während Lothringen mit breiter staatlicher Unterstützung eine frühzeitige Schließung der Kohlegruben und anschließend eine äußerst aktive Industrie-Ansiedlungspolitik betrieben hat, wurde in Luxemburg ein noch radikalerer Wandel zum Dienstleistungszentrum mit Schwerpunkt Finanzen herbeigeführt. Luxemburg nimmt auf diesem Gebiet inzwischen eine führende Rolle auf der europäischen Bühne ein.

Die Integration über die Grenzen hinweg gehört als Auftrag zu den Grundprinzipien der EU und hat zum Beispiel im Saarland Verfassungsrang. Der SaarLorLux-Raum wird nach der Anzahl der Grenzpendler als „in besonderem Maße integriert“ ausgewiesen. An die 200 000 Menschen überqueren bei ihren Wegen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz (ohne es zu merken) Staatsgrenzen. Sie überwinden dabei nicht nur kulturelle, sondern auch institutionelle Hürden, die weiterhin zwischen den EU-Staaten bestehen. Um die erwünschte Mobilität noch weiter zu erleichtern, sind die Sprachkompetenzen verstärkt zu fördern, die Sozialversicherungs- und Steuersysteme anzugleichen sowie die grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur weiter auszubauen, heißt es zum Beispiel aus dem Blickwinkel der IHK Saarland.

Und was machen die Industrie- und Handelskammern hierzulande? Die Zusammenarbeit zwischen den Kammern Bayreuth, Regensburg, Chemnitz, der Wirtschaftskammer Karlsbad sowie der Deutsch-Tschechischen IHK wurde erst vor einem Jahr auf ein neues Level gehoben. Die Wirtschaft in Nordostbayern, Böhmen und Sachsen ist mittlerweile über die Grenzen hinweg eng verflochten und sieht sich Themen wie einer bezahlbaren und zuverlässigen Energieversorgung, dem Fachkräftemangel bis hin zur ausufernden Bürokratie gegenüber.

Dabei ist Tschechien längst einer der wichtigsten Handelspartner geworden. Das Land steht bei den bayerischen Exporten auf Rang 10, bei den Importen auf Rang 4. Noch größer ist die Bedeutung Tschechiens als Handelspartner für Sachsen. Also ein Wirtschaftsraum mit gemeinsamen Herausforderungen und Interessen, der sich zukunftsfest aufstellen möchte!

Von Kollegiumsmitglied Gerd Otto

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