Cannes hat seine Seele verloren – und sucht eine neue. Das war der Eindruck, den man leicht auf der diesjährigen globalen audiovisuellen Programmmesse mipcom bekommen konnte.
Um das gleich voranzustellen: Die audiovisuelle Programmmesse mipcom in Cannes war diesen Herbst wieder gut besucht und verlief sehr lebhaft. 10 500 Teilnehmer konnte der RX France, der Veranstalter der Messe, am Ende verkünden. Aber so richtig in Schwung ist der Markt nicht, zumindest nicht für alle. Auf der einen Seite gab es sie durchaus, Anbieter, gut in ihrer Nische positioniert, oder aber in der Lage entsprechend anspruchsvolle Programme zu präsentieren, die sich vor Nachfrage kaum retten konnten, aber, vor allem die Kleinen klagten auch laut, wie schwer die aktuelle Marktlage sei.
Das hat auch mit dem sich inzwischen rasant verändernden Markt zu tun: „Die jungen, wirklich innovativen Programmmacher, die findet man hier gar nicht mehr“, analysiert ein international anerkannter Dokumentarfilmanbieter, „die produzieren gleich für Social Media und gehen direkt an den Consumer.“ Ein anderer fasst zusammen: „Fernsehen als Leitmedium, das ist vorbei. Der Lizenzhandel ist Zweit- oder gar nur Drittmarkt.“ Das machte sich auch auf den Partys und Empfängen der Messe bemerkbar. Das Geld saß nicht mehr so locker wie in besseren Jahren. Auf dem einen Empfang war der sonst übliche Champagner gestrichen, woanders verzichtete man auf die kleinen Häppchen, die sonst auch bei einem einfachen Cocktailempfang selbstverständlich waren.
Kurz zusammengefasst: Der Markt ist geteilt. Auf der einen Seite sehen wir die großen internationalen Produktionen, mit immer extremerem Aufwand produziert, der auch mit dem entsprechenden Aufwand vermarktet wird. Das geht zumeist auch nur noch als internationale Koproduktion, da es für einzelne nationale Anbieter anders nicht mehr zu finanzieren ist. Dieser Trend zeichnet sich freilich schon lange ab und wurde bereits Ende der 1990er Jahre von Jan Mojto, dem Chef der deutschen Beta Film vorhergesagt.
Auf der anderen Seite sehen wir eine viel schwierigere Entwicklung, die viele Anbieter vor immer größere Probleme stellt. Nicht ohne Grund war der „Innovation Hub“ der mipcom in diesem Jahr besonders gut nachgefragt und die Keynotes, Paneldiskussionen und Präsentationen besonders gut besucht. Dabei fiel auf, dass es nicht wirklich die große neue Idee gab.
Das war etwas, was der New Yorker Evan Shapiro, der sich selbst Media Universe Cartographer nennt, in seiner Eröffnungskeynote zum Hub überraschend deutlich ansprach. Die letzte wirkliche Innovation sei das Streaming gewesen. „Das ist schon etliche Jahre her. Was kam danach? Nichts!“ Am Anfang habe man den Consumern versprochen, ihnen alle ihre Lieblingsinhalte auf die einfachste Art zugänglich zu machen. „Das Gegenteil ist passiert, immer mehr Schranken erschweren es immer mehr sich zurechtzufinden.“ Sein Rat ist, dass Anbieter wieder stärker zusammenarbeiten, um so echte Innovation im TV-Sektor zu ermöglichen: „Lösen wir endlich unser Versprechen gegenüber dem Zuschauer ein“, appelliert Shapiro.
Trotz allem gab es am ersten Abend wieder ein Feuerwerk, immerhin feierte die mipcom in diesem Herbst ihren 40. Geburtstag. Das Umfeld bleibt sicher schwierig. Der Markt ist immer noch in einem Häutungsprozess. Was er enthüllen wird lässt sich noch nicht so ganz erkennen. Aber Optimismus scheint durchaus angesagt.