Seit vielen Jahren leistet unsere Partnerorganisation GPB Europaverein e.V. aus Eschweiler mit den „Nachrichten aus Europa“ einen aus dem EUROjournal pro management nicht mehr wegzudenkenden Beitrag. „Wie tickt Europa“ gibt einen schönen Überblick, wie die wichtigsten europäischen Themen in den führenden Publikationen der EU-Mitgliedsstaaten aufgenommen werden.   

Themenkreis:

1. Raketenexplosion in Polen

2. COP 27 – wieder nur Gerede?

3. Paris und London – verstärkte Kontrolle am Ärmelkanal

1) Beim Einschlag einer Rakete auf polnischem Territorium im Dorf Przewodów nahe der ukrainischen Grenze wurden am Dienstag (15. November) zwei Menschen getötet. Es ist die erste Explosion auf NATO-Territorium seit Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar.

Associated Press berichtete jedoch am Mittwoch unter Berufung auf US-Beamte, erste Erkenntnisse würden darauf hindeuten, dass die Rakete, die Polen traf, von ukrainischen Streitkräften auf eine ankommende russische Rakete abgefeuert wurde, um diese abzuschießen.

Das russische Verteidigungsministerium hat derweil bestritten, dass seine Raketen polnisches Territorium getroffen hätten, und bezeichnete solche Berichte als „eine absichtliche Provokation, die darauf abzielt, die Situation zu eskalieren.“

US-Präsident Joe Biden erklärte hingegen, dass die Untersuchungen noch andauerten und es zu früh sei, um zu beurteilen, ob die Rakete aus Russland abgefeuert wurde.

Die Explosion in Polen ereignete sich, als Russland am Dienstag Städte in der gesamten Ukraine mit Raketen beschoss. Kyjiw bezeichnete den Beschuss als die schwerste Angriffswelle seit fast neun Monaten Krieg. Einige der Raketenangriffe trafen Lwiw, das weniger als 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt ist.

16.11.2022 – BBC – Großbritannien

Eskalation vermeiden

Nichts deutet darauf hin, dass Russland bewusst Nato-Gebiet angreift, beruhigt BBC:

„Entscheidend ist das beabsichtigte Ziel, ganz gleich wer die Rakete abgefeuert hat. Und bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass Russland absichtlich Ziele außerhalb der Grenzen der Ukraine ins Visier genommen hat. Der Kreml weiß, dass ein solcher Schritt möglicherweise Artikel 5 des Nato-Vertrags auslösen und theoretisch das gesamte Bündnis zur Verteidigung Polens mobilisieren würde. In so einer Situation will sich auch die Nato nicht wiederfinden – vor allem, weil sich nur einen Tag vor dem Zwischenfall die Geheimdienstchefs der USA und Russlands getroffen hatten, um zu diskutieren, wie eine unnötige Eskalation in diesem Krieg vermieden werden kann.“

16.11.2022 – Tygodnik Powszechny – Polen

Halbherzige Antwort ist wahrscheinlich

Falls Russland verantwortlich sein sollte, sieht Tygodnik Powszechny drei verschiedene Szenarien:

„Die erste: so tun, als wäre nichts passiert. … Die zweite, halbherzige Option: Wir lassen unseren Erklärungen begrenzte Taten folgen, indem wir zum Beispiel Teile der polnischen Luftabwehr näher an die Grenze verlegen. … Wir nutzen die Situation, um den Druck auf die Verbündeten zu erhöhen, damit sie der Ukraine schneller und in größerem Umfang wirksame Luftabwehrsysteme liefern. … Und schließlich Option drei: Wir nutzen die Situation, um die bisherige Politik gegenüber der russischen Aggression qualitativ zu verändern und wirklich entschlossen aufzutreten. … Von diesen drei Möglichkeiten scheint die zweite heute die wahrscheinlichste zu sein.“

16.11.2022 – Avvenire – Italien

Es ist Zeit, dass Frieden einkehrt

Einmal mehr muss man jetzt auf Verhandlungen drängen, mahnt Avvenire:

„Wenn wir es wirklich mit einem bewussten russischen Angriff, einer gezielten Provokation zu tun hätten, würden wir uns in den Albtraum stürzen, den erst gestern die Signale des amerikanisch-chinesischen Gipfels auf Bali abzuwenden schienen. Die beiden anderen Hypothesen – Irrtum oder Zufall – könnten, wenn die politischen Akteure den dramatischen Umständen gewachsen sind, hingegen sogar das Bestreben verstärken, einen Verhandlungsweg aus einem Krieg zu eröffnen, der uns an den Rand des Armageddons bringt. … Seit neun Monaten verharren wir nun an diesem wahnsinnigen Abgrund, während Waffen geschickt und Tod und Verwüstung gesät werden. Es ist Zeit, dass Frieden einkehrt“

16.11.2022 – La Stampa – Italien

Weder Tagesgeschäft noch Notfall

Zum Wunsch Polens, eine Nato-Sitzung auf Grundlage von Artikel 4 und nicht Artikel 5 des Verteidigungsfalls einzuberufen, erklärt La Stampa:

„Polen hat um eine Sitzung des Atlantikrates gebeten, allerdings im Rahmen von Artikel 4, der Konsultationen in Situationen möglicher Sicherheitsbedrohungen vorsieht. Es handelt sich nicht um ein Tagesgeschäft, aber auch nicht um einen Notfall. … Dies ist ein Zeichen dafür, dass Warschau zwar Moskau die Schuld an dem Vorfall gibt, sich aber nicht militärisch angegriffen fühlt. Die kollektive Verteidigung der Nato [bei Artikel 5] wird nicht automatisch ausgelöst. Sie muss von allen Verbündeten beantragt und einstimmig genehmigt werden. Dies ist heute nicht der Fall. Das ändert nichts an der Tatsache, dass Moskau mit dem Feuer spielt.“

2) COP 27 – Nur Gerede?

Die Europäische Union hat zu Beginn der COP27 in Sharm El-Sheikh in Sachen Wasserstoff und saubere Technologien beim Aufbau von Partnerschaften mit Entwicklungsländern deutlich Fortschritte gemacht. Unter anderem wird eine solche Partnerschaft mit Kasachstan angestrebt.

Nun geht die 27. UN-Klimakonferenz ihrem Ende entgegen. Ein Kernthema des Mammut-Events mit mehr als 190 beteiligten Ländern war die Forderung nach Ausgleichszahlungen von Industriestaaten als Hauptverursachern des Klimawandels an besonders betroffene Entwicklungsländer. Ob derartige Treffen und Maßnahmen bei der Klimarettung wirklich helfen, wird von Europas Presse kontrovers diskutiert.

16.11.2022 – Primorske novice – Slowenien

Solche Gipfel sind Augenwischerei

Von Klimagipfeln in Luxus-Resorts ist nichts zu erwarten, ärgert sich Primorske novice:

„Wenn bei all den Gesprächen eine konkrete Einigung erzielt würde, die tatsächlich zu einer langsameren Erderwärmung, zu weniger Umweltverschmutzung und Schrumpfung des Amazonas-Regenwaldes, zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten beitragen würde, dann könnten wir den Teilnehmern den Luxus verzeihen. Aber so etwas wird mit ziemlicher Sicherheit nicht passieren, denn in Zukunft warten neue Klimagipfel auf sie. Wo sie, wenn die Scheinwerfer ausgehen, etwas Gutes essen und trinken, sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, lachen und neue Geschäfte vereinbaren, die einem immer kleiner werdenden Kreis Auserwählter Komfort und Bequemlichkeit sichern.“

16.11.2022 – Eldiario.es – Spanien

Klimarettung geht vor Handel und Krieg

Eldiario.es und über 30 internationale Medienpartner veröffentlichen zeitgleich einen Leitartikel, in dem sie zu dringenden Maßnahmen gegen die Klimakrise aufrufen:

„Die Lösung der Klimakrise ist der Flug zum Mond unserer Zeit. Die Landung auf dem Erdtrabanten gelang in nur einem Jahrzehnt dank enormer Ressourcen, die in das Projekt flossen. Das jetzt erforderliche Engagement ist ähnlich. … Handelsstreitigkeiten und der Krieg in der Ukraine dürfen die internationale Klimadiplomatie nicht blockieren. … Der UN-Prozess mag nicht perfekt sein, aber er hat es ermöglicht, allen Nationen das gemeinsame Ziel der Rettung des Planeten nahezubringen.“

07.11.2022 – De Standaard – Belgien

Ausgleichszahlungen dienen auch dem Norden

Es spricht einiges gegen Schadenersatzzahlungen für arme Länder, aber man muss sie dennoch in Betracht ziehen, schreibt De Standaard:

„Der Westen fürchtet sich davor, unbeschränkt haftbar gemacht zu werden. Es geht nicht nur um sehr viel Geld. … Es ist bisher auch unklar, an wen oder was bezahlt werden muss. Einige Entwicklungsländer sind nicht gerade Vorbilder, was tadellose Führung angeht. … Doch muss der Westen helfen, Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Leben wieder aufzubauen. Das dient auch dem Eigeninteresse, denn sonst droht der x-te Flüchtlingszustrom. Auch müssen die Entwicklungsländer investieren können, um sich an die Folgen der Erwärmung anzupassen.“

3) Die Innenminister:innen des Vereinigten Königreichs und Frankreichs haben sich am Montag (14. November) darauf geeinigt, ihre Zusammenarbeit zu verstärken, um Asylsuchende zu stoppen, die den Ärmelkanal mit Kleinbooten überqueren.

Im Rahmen des Abkommens, das am Montag (14. November) in Paris von Gerald Darmanin und Suella Braverman unterzeichnet wurde, werden die Brit:innen Frankreich für die Jahre 2022-2023 mehr als 72 Millionen Euro zahlen, um die Sicherheit in den Häfen zu erhöhen.

Das Abkommen ist Teil des sogenannten Sandhurst-Vertrags, der die Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich bei der Verwaltung ihrer gemeinsamen Grenze – dem Ärmelkanal – regelt.

Nach Angaben der Ministerien beider Länder sollen damit „fortschrittliche Überwachungstechnologien“ finanziert werden. Dazu gehören Drohnen, Videoüberwachung, Hubschrauber und Spürhundeteams, so das britische Ministerium.

Diese sollen dabei helfen, illegale Grenzübertritte aufzudecken und zu verhindern.

Laut ihrer gemeinsamen Erklärung soll in Aufnahmezentren in Südfrankreich investiert werden, „um Migranten, die über die Mittelmeerroute nach Frankreich gelangen, davon abzuhalten, die Kanalküste zu erreichen […] und um ihnen sichere Alternativen zu bieten.“

Bisher wurden keine Einzelheiten zu diesen „sicheren Alternativen“ genannt.

NGOs kritisieren das Abkommen. Sie weisen darauf hin, dass es nicht geeignet sei, die zugrundeliegenden ‚Push-Faktoren‘ zu bekämpfen, die Asylsuchende zu der gefährlichen Überfahrt bewegen. Der Refugee Council, eine in Großbritannien ansässige Wohltätigkeitsorganisation, die 1951 im Anschluss an die UN-Flüchtlingskonvention gegründet wurde, twitterte:

„Wir brauchen eine Einigung, die sich darauf konzentriert, sicherere Routen wie die Familienzusammenführung zu schaffen und mit der EU und anderen Ländern zusammenzuarbeiten, um globale Lösungen zu finden und die Verantwortung für eine globale Herausforderung zu teilen, da immer mehr Menschen durch Krieg, Terror und Gewalt vertrieben werden“.

15.11.2022 – The Times – Großbritannien

Zuviel bleibt ungelöst

Diese Einigung hat eklatante Mängel, kritisiert The Times:

„Es werden keine britischen Sicherheitsbeamten an französischen Küsten patrouillieren, wie es die Regierung in London gefordert hatte. Es wird keine Rückführung von Migranten geben, die mit ungültigen Asylanträgen von Frankreich nach Großbritannien gekommen sind. Weiterhin wurden keine sicheren humanitären Routen für diejenigen vereinbart, deren Anträge erfolgreich sind. Und abgesehen vom vagen Versprechen, für mehr Sicherheit in den Häfen zu sorgen, scheint es kaum eine Strategie zu geben, mit jeglicher Zunahme an Überquerungen auf anderem Wege fertig zu werden, sei es per Container oder Lastwagen.“

14.11.2022 – Libération – Frankreich

Retten statt kriminalisieren!

Libération kritisiert, dass Migranten zu Unrecht als Schleuser beschuldigt und zu langen Haftstrafen verurteilt werden:

„Um die Wirksamkeit des Kampfes gegen Schleppernetzwerke zu belegen, werden die Verhaftungen gezählt. So landen unschuldige Flüchtlinge für Jahre im Gefängnis. In einigen Ländern wie Griechenland können die Strafmaße Jahrzehnte betragen. … Die Sündenböcke werden recht zufällig ausgewählt – weil sie akzeptiert haben, einen Kompass zu halten oder ein zusammengeflicktes Schlauchboot an die europäischen Ufer zu bringen. … Die französische und britische Regierung haben ein neues Abkommen unterzeichnet. … Unter Missachtung der dringenden Notwendigkeit, den Zugang zum Asylrecht und zu Nothilfe zu verbessern.“

Von Kollegiumsmitglied Annelene Adolphs, Europaverein GPB e.V.

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