Aus Anlass der Jubiläumsausgabe der alle zwei Jahre stattfindenden Neudrossenfelder Europatage vom 18. bis 21. Mai 2023, die bekanntlich im oberfränkischen Landkreis Kulmbach stattfinden, führten einzelne Programmpunkte diesmal auch nach Mittelfranken und in die Oberpfalz.

Den Startpunkt bildete am Himmelfahrtstag die Wenzelburg zu Lauf an der Pegnitz. Seit Gründung des dort im Herbst 2022 eröffneten Deutsch-Tschechischen Kulturzentrums besteht eine Kooperation mit der Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation, so dass die Überlegung schnell geboren war, auch einen Programmpunkt der Europatage hier stattfinden zu lassen. Kaiser Karl IV. dient hier wieder einmal als Bindeglied – der Namensgeber der höchsten FEK-Auszeichnung hat einst selbst den Bau der heutigen Wenzelburg in Auftrag gegeben. Sie liegt am westlichsten Ausläufer seines einstigen Herrschaftsgebiets in Böhmen bzw. Neuböhmen, einen Tagesritt von der Kaiserburg Nürnberg entfernt. Weit häufiger als in Nürnberg hatte Karl jedoch in Lauf Station gemacht. So wurde er auch zum Paten für das Deutsch-Tschechische Kulturzentrum, das sich unter seinem Initiator und Schirmherrn Hans-Peter Schmidt, ehemaliger Honorarkonsul der Tschechischen Republik, gerade im Aufbau befindet.

Konsul a.D. Hans-Peter Schmidt, Laufs Bürgermeister Thomas Lang und Botschafter a.D. Karel Borůvka, FEK-Kuratoriumsvorsitzender, bei ihren Grußworten im Laufer Wappensaal (Fotos: Wolfgang Otto, Joerg Wittl (2)).

Hans-Peter Schmidt und Thomas Lang, Erster Bürgermeister der Stadt Lauf, begrüßten die Ehrengäste der Europatage dann auch im besonders sehenswerten Historischen Wappensaal der Laufer Kaiserburg. Hier hatte Karl IV. selbst das Anbringen der Wappen aller Herrschaften Böhmens angeordnet, die – später übermalt – in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurden. Noch immer sind die um das Jahr 1360 aufgebrachten Farben jedoch im Original erhalten, mussten nur freigelegt werden. Es handelt sich um eine echte kunsthistorische Besonderheit.

Sichtlich erfreut davon, dass die Neudrossenfelder Europatage in diesem Jahr in Mittelfranken ihren Auftakt nahmen, wünschten Bürgermeister Lang und Konsul a.D. Schmidt gutes Gelingen und baldiges Wiedersehen in Mittelfranken. Für die FEK sprach der Prager Kuratoriumsvorsitzende der FEK, Botschafter a.D. Karel Borůvka, und lobte das gerade im Anlaufen befindliche Zentrum als willkommenes Projekt der Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen.

Bernd Wagner bei seinen Ausführungen zum berühmten Wappensaal der Laufer Wenzelburg (Foto: Wolfgang Otto).

Nachdem Stadt- und Burgführer Bernd Wagner detaillierte Informationen zum Wappensaal gegeben hatte und den Anwesenden ein sehenswerter Film zur Baugeschichte der Burg gezeigt worden war, folgte ein Gang durch den Kaisersaal der Wenzelburg mit der darin befindlichen Wanderausstellung zu den Neudrossenfelder Europatagen und den Preisträgerinnen und Preisträgern der letzten zwei Jahrzehnte. Aus Anlass der Europatage 2023 wurden die Inhalte auch in einer Broschüre zusammengefasst. Ebenfalls aus Anlass der Neudrossenfelder Europatage war bereits am 14. Mai in der Wenzelburg die Kunstausstellung „Zeitenwende“ eröffnet worden. Der Künstlerverein focus-europa e.V. mit Sitz in Neudrossenfeld brachte unter diesem Titel Kunstwerke von Künstlerinnen und Künstlern aus Polen, Italien und Deutschland zusammen, darunter auch des bildenden Künstlers Bernd Wagner aus Lauf, der zusammen mit seiner Gattin Margarete, Vorstandsmitglied von focus-europa, durch die Ausstellung führten. Ein reichhaltiger Imbiss in der Burgstube der Wenzelburg ließ den ersten Veranstaltungstag der Europatage ausklingen.

Blick in den Ausstellungsraum „Zeitenwende“ des Künstlervereins focus-europa: im Vordergrund Karin Gehlen, stellv. FEK-Vorsitzende, Präsident Dr. Gerhard Krüger und Margarete Wagner von focus-europa (von links) (Foto: Wolfgang Otto).

Am folgenden Tag machte sich ein Sonderbus mit Gästen der Europatage ein weiteres Mal auf, um einen weiteren oberfränkischen Nachbarbezirk zu besuchen. Diesmal ging die Reise in die nördliche Oberpfalz, an die deutsch-tschechische Grenze. Dort ist in den letzten Jahren in der kleinen Grenzstadt Bärnau der Geschichtspark Bärnau-Tachov entstanden, der sich in stetem Aufbau befindet. Wie Alois Meindl, der ehrenamtliche Führer des den Park unterhaltenden Vereins „Goldene Straße – Via Carolina“ den Gästen, darunter auch die in Neudrossenfeld beheimatete ehemalige Nürnberger Kulturreferentin Dr. Karla Fohrbeck, vermittelte, wird auch aktuell an einem großen Projekt gearbeitet: dem historisch informierten Aufbau einer Reisestation aus der Zeit Karl IV.. Dieses spätmittelalterliche Bauwerk bildet historisch den Abschluss der vorgestellten Epochen im Geschichtspark, der sich in erster Linie mit dem Früh- und Hochmittelalter beschäftigt.

Eine Reisestation aus der Zeit Kaiser Karl IV. wird gerade im Geschichtspark Bärnau-Tachov mit Originalmethoden nachgebaut (Foto: Joerg Wittl).

Auf dem Gelände wurden bereits zahlreiche Gebäude aus dieser Zeit nachgebaut, Flechtwerk- und Pfostenhäuser wie sie in den kleinen nordostbayerischen Siedlungen slawischer Einwanderer des 8. und 9. Jahrhunderts üblich waren, aber auch germanische Langhäuser. Das Leben der „Bavarica Slavica“ ist denn auch ein wesentlicher Inhalt dieses beispielhaften Geschichtsprojekts. Immer wieder werden die begehbaren Gebäude durch Reenactment-Gruppen mit Leben gefüllt. Kleine und größere Gruppen leben immer wieder in den Gebäuden und lassen die Besucherinnen und Besuchern an ihrer Faszination von der Geschichte teilhaben.

Geschichtspark-Führer Alois Meindl bei der Präsentation eines slawischen Pfostenhauses (Foto: Joerg Wittl).  

Als die Gäste der Europatage im Geschichtspark weilten, hielten sich im Parkbereich, der dem Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter gewidmet ist, „Gewandete“ aus der Zeit der frühen Kreuzritter auf. Mitglieder einer Gruppe, die das Leben der Deutschordensritter dokumentiert, hatten die „Motte“, den Nachbau einer maßgeblich aus Holz bestehende Hügelburg, in Besitz genommen und hielten dort zur Mittagszeit ihr Mal ab, begleitet von lateinischen Bibeltexten, die von einem der Mönchsritter vorgetragen wurden.

Eine Reenactment-Gruppe (links) lebte den Alltag von Deutschordensrittern in der im Geschichtspark Bärnau-Tachov nachgebauten Hügelburg nach (Fotos: Wolfgang Otto).

Nachdem sich die Gäste ihrerseits im Museumscafé „Brot & Zeit“ gestärkt hatten, führte der Weg zurück nach Neudrossenfeld, wo ab dem Freitagnachmittag dann das weitere Programm der 12. Neudrossenfelder Europatage ablief.

Vom Leiter der Chefredaktion Prof. Dr. Wolfgang Otto

Zum Foto oben: Sehr eindrucksvoll im Geschichtspark Bärnau-Tachov ist auch der Nachbau eines bajuwarischen Langhauses, in dem die Besucher hautnah in das Leben des Frühmittelalters eintauchen können (Foto: Joerg Wittl).

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