Seit vielen Jahren leistet unsere Partnerorganisation GPB Europaverein e.V. aus Eschweiler mit den „Nachrichten aus Europa“ einen aus dem EUROjournal pro management nicht mehr wegzudenkenden Beitrag. Anbei der neueste Überblick, wie die wichtigsten europäischen Themen in den führenden Publikationen der EU-Mitgliedsstaaten aufgenommen werden.  

22. September 2023

Polen und Ukraine: Warum auf einmal Streit?

Ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat des polnischen Premiers sorgt international für Aufsehen. In einem Interview sagte Morawiecki: „Wir liefern schon keine Rüstungsgüter mehr an die Ukraine, sondern rüsten uns selbst mit den modernsten Waffen aus.“ Ukraines Präsident Selenskyj reagierte mit scharfer Kritik. Europas Presse kommentiert den Streit im Kontext der Importverbote für Agrarprodukte und dem Wahlkampf in Polen.

Der Streit über Importverbote für ukrainische Agrarprodukte in einige EU-Länder spitzt sich zu. Ukraines Präsident Selenskyj kritisierte vor der UN Polen für dessen mangelnde Solidarität. Warschau bestellte daraufhin den ukrainischen Botschafter ein und Premier Morawiecki stellte in einem Interview sogar bestimmte Waffenlieferungen infrage. Der Streit gärt auch in anderen Ländern, zeigt der Blick in Europas Presse.

Estland – Bitte nicht an die ganz große Glocke hängen

Sehr bedauerlich findet Postimees, dass beide Seiten diesen Interessenkonflikt vor der Weltöffentlichkeit austragen:

„Selbst wenn ein Teil der Äußerungen Morawieckis falsch zitiert wurde oder angeblich nicht ganz beabsichtigt war, ist ein öffentlicher Streit mit einem der bisher aktivsten Unterstützer der Ukraine sehr bedauerlich. Auch war die UN-Generalversammlung nicht der beste Ort für die Ukraine, um einem Verbündeten Vorwürfe zu machen. … Auf keinen Fall hätte der polnische Premier eine so markante Erklärung abgeben dürfen.“

Polen – Für ein paar Wählerstimmen das Land diskreditiert

Der PiS-Wahlkampf in Polen schadet dem ganzen Land, ärgert sich Polityka:

„Indem er diesen einen Satz in den Äther entließ, hat Morawiecki Polen möglicherweise mehr geschadet als mit dem ganzen bisherigen Getreidestreit. … Die PiS spielt in diesem Wahlkampf mit Dingen von strategischer Bedeutung: Verteidigungspläne, Geheimnisse, die ein Geschenk für ausländische Geheimdienste sind, sie spielt auch mit dem sehr riskanten Thema der anti-ukrainischen Ressentiments. Wir haben uns gerade der Kritik der Weltöffentlichkeit ausgesetzt, damit diese Partei ein paar Punkte bei ihrer eigenen Anhängerschaft macht.“

Tschechien – Dummer Zeitpunkt

Echo24 hält den Streit um Getreide und Waffen für übertrieben:

„Das bedeutet jedoch nicht, dass die Ukrainer den Polen nicht ein wenig auf die Nerven gehen. … Kyjiw würde definitiv von etwas Bescheidenheit und einer umsichtigeren Diplomatie profitieren. Es war besonders dumm, diesen Streit wenige Wochen vor den polnischen Wahlen zu beginnen, wo es sich die Regierung in Warschau nicht leisten kann, nachzugeben, um nicht schwach auszusehen. Die Ukrainer scheinen zu erkennen, dass sie zu weit gegangen sind und beginnen, den Gang zu wechseln. In den kommenden Tagen will man sich zu Getreideverhandlungen treffen. Und der ukrainische Botschafter in Warschau sagte, dass niemand in der Ukraine den polnischen Bauern Probleme bereiten wolle.“

Slowakei – Putin nicht auf den Leim gehen

Die Verbündeten dürfen sich in der Getreidefrage nicht zerstreiten, mahnt Pravda:

„Es ist in Ordnung, wenn wir Vorbehalte gegenüber den ukrainischen Getreideexporten haben. Das ist Teil internationaler Politik und ein legitimes Diskussionsthema. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, wer uns in diesen ‚peinlichen Schlamassel‘ gebracht hat. … Putin verfügt nicht nur über eine Energiewaffe, sondern auch eine aus Getreide. Und mit der schlägt er erfolgreich drei Fliegen mit einer Klappe: Er lähmt die ukrainische Wirtschaft, destabilisiert den europäischen Markt und schädigt die Beziehungen westlicher Verbündeter. Es liegt jedoch an uns, ob wir Putin auf den Leim gehen.“

21. September 2023

Griechenland: Hat Syriza einen neuen Star?

Stefanos Kasselakis, in Athen geborener US-Geschäftsmann, hat die erste Runde der parteiinternen Wahlen für den Vorsitz der Linkspartei Syriza gewonnen. Über 146.000 Mitglieder stimmten ab und gaben dem Newcomer fast 45 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei landete Ex-Arbeitsministerin Efi Achtsioglou mit rund 36 Prozent. Am Sonntag kommt es nun zur Stichwahl. Argwohn bei Kommentatoren.

Griechenland – Ein Symptom der Post-Politik

Kasselakis ist ein sehr zeitgenössisches Phänomen, erklärt Phileleftheros:

„In Griechenland spricht man bereits von Post-Politik. Ein Mann taucht aus dem Nichts auf. Gutaussehend mit Modelmaßen. Jung, erst 35 Jahre alt und ein Golden Boy, der aus Amerika kam. Er macht sich die modernen Medien zunutze und propagiert, was er propagieren will. Unbefangen bekennt er sich zu seiner sexuellen Identität. Er fordert die Trennung von Kirche und Staat und antwortet seinen Kritikern über seine berufliche Vergangenheit bei Goldman Sachs: ‚Wenn ich nicht für das Kapital gearbeitet hätte, würde ich seine Arroganz nicht verstehen.’“

Kandidat der Verzweifelten

Es ist das Fehlen von Hoffnung, das Kasselakis den Weg zum Erfolg öffnet, findet das Webportal New247:

„Die Syriza-Wähler sind frustriert bis hin zur Verzweiflung. Je fanatischer, desto größer die Verzweiflung. … Die verzweifelten Wähler hören auf nichts. Es ist ihnen egal, ob der von ihnen Gewählte nichts mit der Linken zu tun hat. Auch nicht, dass er vor zwei Monaten noch Kyriakos Mitsotakis verherrlicht hat. Es reicht ihnen, dass er ihnen heute sagt: ‚Ich kann ihn besiegen.‘ Der verzweifelte Mensch hört das gerne, auch wenn er es nicht glaubt. … Es reicht ihnen, dass sie in ihrer Verzweiflung etwas gefunden haben, woran sie sich festhalten, woran sie glauben können.“

22. September 2023

London: Sunak will Klimaziele zurückschrauben

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat eine Abschwächung der Klimaziele seines Landes angekündigt. Das Verkaufsverbot für neue Diesel- und Benzinfahrzeuge soll um fünf Jahre auf 2035 verschoben, die schrittweise Abschaffung von Gasheizungen verzögert werden. Sunak begründete den Vorstoß mit inakzeptabel hohen Kosten der Umweltmaßnahmen für die Bürger. Pragmatisch oder rückschrittlich? Man muss sich fragen, ist das symptomatisch?

Österreich – Kurswechsel verbreitet Chaos und Unsicherheit

Mit seiner Ankündigung hat Sunak viele vor den Kopf gestoßen, meinen die Salzburger Nachrichten:

„Er verkaufte seine Änderungen an der grünen Agenda als Realismus. Die Wähler könnten den Schritt aber auch als Unfähigkeit zur Umsetzung interpretieren. … Sunak brüskierte nicht nur Klimaschützer sowie die internationale Gemeinschaft, auch viele Branchen auf der Insel reagierten geschockt auf den Kurswechsel. Unternehmen mögen es nicht, wenn die Regierung ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht, vor allem wenn es um Milliardeninvestitionen in grüne Infrastruktur geht. Damit verbreitete der konservative Premier genau das, was er angeblich um jeden Preis vermeiden wollte: Chaos und Unsicherheit.“

Großbritannien – Ein Fähnchen im Wind

Opportunismus auf der Jagd nach Wählerstimmen wirft The Guardian Sunak vor:

„Der Mann, der den von seinen beiden Vorgängern zerstörten Ruf seiner Partei als verantwortungsbewusste Partei wiederherstellen wollte, hat sich so selbst in die Liste der unehrenhaftesten und eigennützigsten Premiers seit Menschengedenken katapultiert. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Indem er mit Boris Johnsons grüner Politik bricht, ähnelt er diesem am meisten, indem er wie Johnson gefühllos und opportunistisch agiert, bereit, zu sagen und zu tun, was im Moment gefällt. … Es ist ein Richtungswechsel, der an eine sich drehende Wetterfahne erinnert. Die Frage ist nur, ob er und seine Strategen verstanden haben, woher der Wind weht.“

Großbritannien – Wichtige Vorbildfunktion wird aufgegeben

Mit der Aufweichung der Klimaziele schlägt Rishi Sunak den falschen Weg ein, kritisiert Financial Times:

„Großbritannien hatte eine Führungsrolle übernommen, indem es als erste große Volkswirtschaft das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankerte. Wenn das Land nun diese moralische Vorbildfunktion hinter sich lässt, erhalten andere große Volkswirtschaften Rückendeckung, um ihre Bemühungen ebenfalls zu verlangsamen. Es wird auch schwieriger werden, Entwicklungsländer davon zu überzeugen, das Notwendige für den Klimaschutz zu tun. Außerdem werden die allgemeine Unsicherheit und das mangelnde Vertrauen in die Regierung und deren Zusagen nur noch weiter verschärft – etwas, dass dafür sorgt, dass die Unternehmensinvestitionen seit 2016 stagnieren.“

18. September 2023

Lampedusa: Wie soll die EU mit Migration umgehen?

Bei ihrem Besuch auf Lampedusa hat Ursula von der Leyen einen Zehn-Punkte-Plan zur Migration versprochen. Auf der italienischen Insel waren vergangene Woche Tausende Flüchtlinge angekommen. Laut der Kommissionschefin muss die EU die Ankommenden künftig besser verteilen, illegale Einwanderung stärker kontrollieren und gleichzeitig Wege für legale Migration öffnen. Anreiz für eine neuerliche Debatte über Migration in Europas Presse.

Belgien – Selbsttäuschung wird als Pragmatismus verkauft

Die Strategie der EU ist völlig fehlgeleitet, meint La Libre Belgique:

„Indem sich die EU darauf versteift, ihre Migrationssorgen vor allem durch Abkommen mit Drittstaaten zu lösen, belügt sie sich selbst. … Die gegenwärtige ‚Krise‘ ist in erster Linie das Ergebnis der europäischen Strategie, in Partnerschaft mit Staaten entlang der Migrationsrouten die ‚Festung Europa‘ zu errichten. … Man wird uns sagen, dass es sich dabei um Pragmatismus handelt. Dass wir, um unsere Grenzen zu ’schützen‘, bereit sein müssen, unsere Werte zu kompromittieren und Geld an Regime zu zahlen, die Menschenrechte und Demokratie nicht achten. … Vor lauter Illusionen über diese Partnerschaften hat die EU absichtlich vergessen, dass sie sich zuallererst eine interne Migrations- und Asylpolitik zulegen muss.“

Österreich – Es braucht mehr Härte und Konsequenz

Die Lösungen stünden bereit, sie müssten nur durchgesetzt werden, meint der Kurier:

„Jedes Jahr Tausende Tote im Mittelmeer, ein chaotisches und ungerechtes Asylsystem und Treibstoff für den Aufstieg europäischer Rechtspopulisten. … Europa muss jetzt endlich durchsetzen, worauf sich seine Innenminister im Juni geeinigt haben: Sehr viel schnellere Asylverfahren, mehr und sofortige Rückführungen und die Errichtung von großen Anhaltezentren an den Außengrenzen, wo Migranten schlimmstenfalls einige Wochen kaserniert bleiben müssen, bis feststeht: Dürfen sie bleiben oder müssen sie zurück? Im Grunde wäre das sehr viel mehr Härte und Konsequenz, als Europa bisher in seiner halbherzigen Migrationspolitik an den Tag gelegt hat.“

Spanien – Genau die falschen Rezepte

El País findet Europas Kurs unmenschlich:

„Das Klima und die von China und Russland geförderte enorme Korruption verhindern, dass sich der afrikanische Kontinent in Richtung Fortschritt entwickelt – was unabdingbar ist, wenn Europa eines Tages den Konflikt an seinen südlichen Grenzen abschütteln will. Es sind zudem genau die falschen Rezepte, mit denen man derzeit die Wahlen in Europa gewinnt: Sie zielen darauf ab, Leichtgläubige und Gleichgültige zu überzeugen. Wir werden mehr und mehr von einer reaktionären Front lokaler Nationalisten geführt. Australien isoliert Migranten auf Inseln und Saudi-Arabien schießt an seinen Grenzen auf Äthiopier. So weit sind wir noch nicht, aber wir sind auf dem Weg.“

Italien – Rom verletzt Menschenrechte

Italiens Regierung hat zur Eindämmung der irregulären Migration über das Mittelmeer unter anderem das Militär beauftragt, spezielle Abschiebelager einzurichten. Avvenire ist empört:

„Nachdem sie die Idee aufgeworfen hat, dass Asylsuchende aus Afrika einen nationalen Notstand darstellen, und das Aufnahmesystem abgebaut hat, ist sie nun offenkundig in Not, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Sie versucht dies, indem sie bereits erfolglos erprobte Maßnahmen wieder aufgreift und weitere einführt, deren Umsetzung zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. … Die Gesamtzahl der Anlandungen liegt [2023] bei fast 130.000. Viel mehr als in den Vorjahren, was beweist, dass Flüchtlinge den Seeweg nicht etwa wegen der NGO-Seenotrettung oder früherer Regierungen gewählt haben, sondern aus viel tieferen und tragischeren Gründen.“

Frankreich – Vorhersehbar wie Plattentektonik

In seinem Leitartikel fordert Le Figaro-Chefredakteur Patrick Saint-Paul ein neues EU-Migrationspaket:

„Kam die Lampedusa-Krise unerwartet? Ganz im Gegenteil! Kriege, Armut, dazu der Klimawandel und die explosionsartige Bevölkerungszunahme in den vulnerabelsten Ländern haben die Migrationsströme zu einem ebenso vorhersehbaren Phänomen gemacht wie die Plattentektonik. Aber Europa ist planlos. … Es ist an der Zeit, dass sich die Europäer zusammentun und endlich ein neues Migrationspaket verabschieden. Über die notwendige Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern hinaus ist der Schutz der EU-Außengrenzen von entscheidender Bedeutung. Nur so kann die den Europäern so wichtige Bewegungsfreiheit innerhalb der EU gewährleistet werden.“

Von Kollegiumsmitglied Annelene Adolphs, Europaverein GPB e.V.

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