Noch bis zum 11. Februar 2024 ist im Historischen Museum der Stadt Regensburg die Ausstellung „1-3-2 I Der Jahn steigt auf!“ von Jahn Archiv und Stadtarchiv Regensburg zu erleben. Die Ausstellung war Anlass für ein FußballhisTORisches Symposium, das am ersten Februar-Wochenende Teil der neuesten Ausgabe des Deutsch-Tschechischen Kolloquiums der FEK war. Nach dem Freitagssymposium „Prag, Wien, Regensburg und der Fußball“ in Regensburg stand der Samstag im Zeichen einer Tagesfahrt nach Prag in Kooperation mit unseren Partnerorganisationen Förderkreis AktionKulturSozial und Akademie Ostbayern-Böhmen.   

Die Involvierung des Symposiums in das Programm des Deutsch-Tschechischen Kolloquiums der Fördergesellschaft für Europäische Kommunikation sowie die wesentlich in der Ausstellung zur Sprache kommenden Wiener Fußball-Legenden Franz „Bimbo“ Binder und Josef „Pepi“ Uridil legten eine Erweiterung des FußballhisTORischen Symposiums um die Aspekte Prag und Wien nahe. Damit konnte, nachdem sich die Ausstellung im Historischen Museum in erster Linie auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bezieht, der Bogen auch in die Zwischenkriegszeit und im Falle des Prager Fußballs in die Pionierjahre des Fußballs geschlagen werden. Den Anfang machte am Morgen des 2. Februars eine Führung durch Regensburg mit Bezügen zu den Kaiserstädten Wien und Prag. Dabei konnte Lorenz Burger von Cultheca Kulturvermittlung, der im Rahmen des Symposiums auch erste Erfahrungen mit sporthistorischen Führungen seiner Einrichtung präsentieren konnte, Aspekte der Verbindungen zwischen den genannten Städten vom Hohen Mittelalter bis in die Neuzeit vorstellen. Neben Fußball-Anhängern aus der Region hatten sich auch einige Freunde der FEK in Regensburg eingefunden, darunter die Preisträger Dr. Laura Krainz-Leupoldt aus Oberfranken und Claudio Cumani aus Garching bei München, aber auch Pfarrer i.R. Dr. Mag. Klaus Loscher, der als zugleich langjähriger Fußballschiedsrichter weit über die Grenzen Bayreuths hinaus Bekanntheit erlangte.

Am Tag vor dem Kolloquiumsbeginn beehrte auch die Erste Mannschaft samt Sportlicher Leitung des Drittliga-Tabellenführers SSV Jahn Regensburg die Ausstellung im Historischen Museum bei einer Führung mit Jahn Archivar und Tagungsleiter Wolfgang Otto (Foto: Johannes Liedl).

19. und 20. Jahrhundert in mittelalterlichen Mauern

Im historischen Runtingersaal aus dem 13. Jahrhundert wurde anschließend nach Begrüßung durch Hausherr Lorenz Baibl, Leiter des Amts für Kulturelles Erbe der Stadt Regensburg, und Tagungsleiter Jahn Archivar Prof. Dr. Wolfgang Otto in einem vierstündigen Expertenaustausch die Beziehung von Fußball, Gesellschaft und Politik am Übergang von der Monarchie zur Republik beleuchtet. Dr. Georg Köglmeier vom Lehrstuhl für Landesgeschichte der Universität Regensburg berichtete von den letzten Jahrzehnten von Königreich Bayern und Kaisertum Österreich-Ungarn und den ersten Jahren der Republik, ehe sich Doktorand Christoph Mauerer von der Westböhmischen Universität Pilsen der Geschichte des Sportvereinswesens der deutschen Minderheit in Pilsen und Prag mit besonderer Betonung des ältesten böhmischen Fußballvereins, DFC Prag, annahm. In diesem Zusammenhang wurden von Mauerer und dem ebenfalls anwesenden Fachmann zu den ersten Jahrzehnten des Fußballsports, Udo Luy aus Kleinrinderfeld bei Würzburg, Vortragsfolien aufgenommen, die Dr. Hans-Peter Hock, Historiker und Archäologe, über einen der ältesten sächsischen Fußballvereine, Dresden Football Club, der Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte. Dabei kam auch der Prinz aus einer böhmischen Nebenlinie des Hauses Thurn & Taxis zur Sprache, der von britischen Gärtnern seines Vaters mit dem „Fußball-Virus“ infiziert worden war. In die Neuzeit der deutsch-tschechischen (Fußball-)Beziehungen führte anschließend der Vortrag des aus Berlin angereisten Historikers Gerald Prell, der die Arbeit der Deutsch-Tschechischen Fußballschule (DTFS) vorstellte. Diese verbindet seit 2002 Fußball mit gegenseitigem Spracherwerb. Dabei wird sowohl Wert auf einen Breitensport-Aspekt gelegt als auch auf den Leistungsfußball. Im „Team Europa“ der DTFS spielen die besten Jugendlichen der Grenzregion regelmäßig gegen die Spitzenteams des europäischen Nachwuchsfußballs. Einige namhafte ehemalige Nachwuchsspieler des SSV Jahn, darunter Florian Kastenmeier (heute Fortuna Düsseldorf) oder der Profi-Keeper Alexander Weidinger, haben – um nur zwei rot-weiße Beispiele zu nennen – in diesem Team gespielt. Ein besonderes Augenmerk legen die Verantwortlichen um Prell und den einstigen Nachwuchskoordinator des Regensburger Traditionsvereins, Robert Kilin, aber auch auf den völkerverständigenden Wert der DTFS. Hierbei ist vor allem die Aufarbeitung der belastenden Zeit des Nationalsozialismus und der nachfolgenden Vertreibung ein wichtiges Anliegen.

Lorenz Baibl, Dr. Georg Köglmeier, Christoph Mauerer und Gerald Prell bei ihren Referaten (Fotos: Wolfgang Otto)

Von Binder bis Sebert

Am Nachmittag trat dann der SSV Jahn selbst in den Vordergrund des Symposiums und damit die Inhalte der laufenden Ausstellung. Zunächst wurden Videovorträge von Historiker Julian Schneps aus Wien über die wesentlichen Jahn-Trainer der 1950er Jahre, Franz Binder (1911-1989) und Josef Uridil (1895-1962), abgespielt. Der Leiter des „Rapideums“, des Vereinsmuseums von Rapid Wien, war dazu der denkbar geeignetste Referent, denn schließlich haben die genannten ehemaligen Fußballlehrer nicht nur in Regensburg einen guten Namen, sondern sind auch in Wien als Mitglieder der „Jahrhundertelf“ Rapids weiter im Gedächtnis. Über das Wirken der Genannten referierte dann im Anschluss Jahn Archivar Professor Otto, der in 15 Minuten einen Bogen von Binders erstem Engagement in Regensburg (1952-54) bis zu seiner Rückkehr 1966 schlug. Insgesamt drei Aufstiege gehen auf das Konto des einstigen europäischen Topstürmers, zuletzt 1967 in die zweitklassige Regionalliga. Dort hielt man sich sieben Jahre und stieg unter „Jahrhunderttrainer“ Aki Schmidt (1935-2016) im Jahre 1975 auch in die 2. Bundesliga Süd auf. Doch gerade dieses zweigleisige Unterhaus der Bundesliga ohne die vielen Derbys, die die Regionalligen prägten, war wirtschaftlich ein Problem für die meisten Vereine. Etatunterdeckungen, wie sie auch für den SSV Jahn galten, führten in Mainz 1976 zur freiwilligen Rückgabe der Lizenz, einem Beispiel, dem sich – mehr oder weniger freiwillig – in den folgenden Jahren noch einige Vereine mehr anschlossen, ehe die Gründung der eingleisigen 2. Bundesliga 1981 die Lage verbesserte. Christian Karn, Archivar des 1.FSV Mainz 05, zeichnete in seinem Vortrag die Entwicklung in Mainz nach, von der der SSV Jahn Regensburg in der Saison 1975/76 noch profitierte. Durch den Rückzug des heutigen Bundesligisten konnte man ein zwischenzeitlich letztes Zweitliga-Jahr geniessen. Hans Melzl und Werner Michalka spielten schon damals im Jahn-Team und kehrten vor der Saison 1982/83 nach erfolgreichen Jahren in Ingolstadt zum inzwischen in die Landesliga Mitte durchgereichten SSV Jahn zurück. Sie hatten zusammen mit Trainer Klaus Sturm viele weitere Akteure des Aufstiegs von 1983 mit in den Runtingersaal gebracht, darunter die heutigen Aufstichtsratsmitglieder des SSV, Günter Hödl und Walter Schwabenbauer, aber zum Beispiel auch Torhüter Heribert Mühldorfer, sowie weitere einstige Publikumslieblinge der Rot-Weißen wie Michael Gerl, Ralf Hofmaier, Alois Kindler, Hans Mayer oder Xaver Scherübl. Gemeinsam erinnerte man sich nun zusammen mit dem Referenten Wolfgang Otto an die Aufstiegssaison 1982/83, ehe Archivbeirat und Historiker Maximilian Filchner zu einem Zeitsprung ins Spieljahr 2002/03 einlud, das bekanntlich mit der Rückkehr in die 2. Bundesliga unter Cheftrainer Günter Sebert endete.

Per Video zugeschaltet Julian Schneps, Christian Karn, Maximilian Filchner und Lorenz Burger (Fotos: Wolfgang Otto)

Finale im Historischen Museum mit vielen Ehemaligen

Gemeinsam pilgerte man im Anschluss zum Ort der Sonderausstellung im Historischen Museum der Stadt Regensburg, wo zu einem kurzen Grußwort bereits die ehemalige Direktorin PD Dr. Doris Gerstl wartete, die ermöglicht hatte, dass die Ausstellung von Jahn Archiv und Stadtarchiv im 2. Stock des Hauses wunderbare Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekam. Auch Dr. Andreas Gietl, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, war zugegen und begrüßte die etwa 50 Ehrengäste und interessierten Fußball-Freundinnen und -Freunde als Vertreter des verhinderten Jahn-Vorstandsvorsitzenden Hans Rothammer. Maximilian Filchner und Wolfgang Otto führten im Anschluss durch die Ausstellung, immer wieder von Anekdoten der zahlreichen Ehemaligen bereichert, zu denen auch Hans Meichel, Mitglied der „Jahn-Jahrhundertelf“ gestoßen war. Ein Höhepunkt war dabei sicherlich die Erinnerungen an das Einspielen der Jahn-Hymne „Wir lieben den SSV Jahn“ nach der Aufstiegssaison 1982/83 in den Flamingo-Studios des Regensburger Komponisten und Musikproduzenten Günther Behrle, der es sich nicht nehmen ließ, ebenfalls vor Ort zu sein. Bis spät in die Nacht seien „Solist“ Alois Kindler, der die Strophen des bekanntesten Jahn-Liedes einsang, sowie Trainer und Mannschaft, die den Refrain beitrugen, in den Studios gewesen, erinnerte sich Trainer Klaus Sturm. Bereits 15 Jahre zuvor hatte derselbe Autor eine weitere Jahn-Schallplatte herausgebracht, die für Günther Behrle so etwas wie die Eintrittskarte in die deutsche Schlagerszene der 70er Jahre um Ralph Siegl gewesen war.

Klaus Sturm (links) erinnerte an die Aufnahme des Schlagers „Wir lieben den SSV Jahn“ im Studio von Komponist und Produzent Günther Behrle (3. von links) (Foto: Wolfgang Otto).

Die FEK dankt ganz herzlich dem Stadtarchiv Regensburg mit Lorenz Baibl, Günther Handel und Martina Köglmeier, die den Runtingersaal ein weiteres Mal für das Deutsch-Tschechische Kolloquium geöffnet hatten. Ebenso gilt der Dank dem Historischen Museum der Stadt Regensburg, allen voran dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Roman Smolorz, dem die Sonderöffnung des Regensburger Musentempels zu verdanken war.

Vom Leiter der Chefredaktion Prof. Dr. Wolfgang Otto

Der Bericht zum zweiten Kolloquiumstag folgt!

Zum Foto oben: Der Tag begann mit einer Führung von Lorenz Burger durch Regensburg mit vielen Bezügen zu den Kaiserstädten Prag und Wien (Foto: Wolfgang Otto)

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