Seit vielen Jahren leistet unsere Partnerorganisation GPB Europaverein e.V. aus Eschweiler mit den „Nachrichten aus Europa“ einen aus dem EUROjournal pro management nicht mehr wegzudenkenden Beitrag. „Wie tickt Europa“ gibt einen schönen Überblick, wie die wichtigsten europäischen Themen in den führenden Publikationen der EU-Mitgliedsstaaten aufgenommen werden.   

Frankreichs Rentenreform per Dekret: Geht das gut?

Die französische Regierung hat die umstrittene Rentenreform ohne Parlamentsabstimmung per Dekret durchgesetzt. Bei der im letzten Moment nicht durchgeführten Abstimmung war eine Mehrheit in der Nationalversammlung für das für Präsident Macron zentrale Projekt ungewiss. Angesichts der nun zu erwartenden massiven Proteste fragt sich Europas Presse, ob das wohl die richtige Entscheidung war.

16.3.2023 Großbritannien – Den einzig richtigen Weg erkannt

The Times lobt Macrons Unbeirrbarkeit:

„Es ist Zeit, in den sauren Apfel zu beißen. Frankreich kann sich seine luxuriöse Altersvorsorge nicht länger leisten. Wenn nichts unternommen wird, könnte das staatliche Rentensystem bis 2050 ein Defizit von 790 Milliarden Pfund [rund 900 Milliarden Euro] angehäuft haben. … Macron sieht die Rentenreform zu Recht als notwendig an und zwar nicht nur, um das Rentensystem zu retten. Wie Großbritannien braucht auch Frankreich seine älteren Arbeiter. Nur 56 Prozent der 55- bis 64-Jährigen sind erwerbstätig. In Deutschland sind es hingegen 72 Prozent.“

16.3.2023 Frankreich – Macron destabilisiert Frankreich

Der Staatschef schadet dem Land, kritisiert der Chefredakteur von Libération Dov Alfon:

„Emmanuel Macron hat alle Eier zerschlagen, die er im Kühlschrank hatte, doch es ist ihm nicht gelungen, ein Omelett zuzubereiten. Von der Liste wird einem schwindelig: unverschämte Lügen ab der Vorstellung der Reform, geheime Mauscheleien für die Verabschiedung im Parlament, Hunderte willkürlich abgelehnte Änderungsanträge, die arrogante Ablehnung, die Gewerkschaften zu treffen, die Verachtung für eine der größten Protestbewegungen der Geschichte der Fünften Republik. … Was jetzt bevorsteht: Verschärfung der Proteste, Ablehnung der Institutionen der Republik und Öffnung einer populistischen Bresche, in die sich die extreme Rechte stürzen könnte.“

16.03.2023 – Deutschland – Le Pen kann sich die Hände reiben

Für den Tagesspiegel ist das Vorgehen Macrons eine politische Katastrophe:

„Die Reform wird in der Bevölkerung als unsozial massiv abgelehnt, seit Wochen gibt es Massendemonstrationen und Streiks, die Gewerkschaften sind geeint wie selten zuvor. Und nun soll ausgerechnet dieses umstrittene und verhasste Gesetz auch noch am Parlament vorbei verabschiedet werden, weil es dort keine sichere Mehrheit gibt? Das kann das Vertrauen der Franzosen in die Demokratie und die Institutionen nur massiv erschüttern. Die Hände reiben kann sich nur Marine le Pen und ihre rechtsextreme Partei.“

17.03.2023 – Italien – Gewagtes Spiel

Das Vorgehen Macrons ist aus mehreren Gründen riskant, warnt La Stampa:

„Erstens ist klar, dass Frankreich nicht in einer Finanzkrise steckt, die mit derjenigen vergleichbar ist, die Italien 2011 traf, als die Regierung Monti per Dekret die Rentenreform verabschiedete. … Wenn man eine Finanzkrise heraufbeschwört, obwohl man sie nicht wirklich durchlebt, macht das eine bei der Bevölkerung unbeliebte Maßnahme kaum akzeptabel. Zweitens setzt Macron seine eigene Glaubwürdigkeit ernsthaft aufs Spiel, denn der Einsatz von Sondervollmachten erfordert die politische Stärke und Konsequenz, hinterher keinen Rückzieher zu machen.“

17. März 2023 – EZB beschließt erneut Leitzinserhöhung

Trotz Turbulenzen an den Finanzmärkten hat die Europäische Zentralbank den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 3,5 Prozent angehoben. Die Währungshüter wollen damit die anhaltend hohe Inflation eindämmen. Kommentatoren fragen sich, ob dieser Schritt als Vertrauensbeweis für den Bankensektor beruhigend wirken könnte oder zu riskant ist.

Spanien – Ein Vertrauensbeweis für die Banken

El Periódico de Catalunya lobt die Entscheidung:

„Bekämpfung der Inflation oder Schutz des Finanzsystems? Das war die Wahl der EZB, die mit Spannung erwartet wurde. Durch die Anhebung der Zinssätze kühlt sich die Wirtschaft ab und die Preise stabilisieren sich. Gleichzeitig ist der Zinsanstieg aber auch einer der Gründe für den Sturz der SVB. … Wenn die EZB das Geld weiter verteuert, macht sie den Kampf gegen die Inflation zu einer Priorität. … Die Tatsache, dass die EZB den Bankensektor nicht zu beruhigen versucht hat, kann paradoxerweise als Vertrauensbeweis gewertet werden: Er braucht keine Extra-Maßnahmen, weil er stabil genug ist.“

Italien – Tiefe Gräben

Nicht alle waren für die Anhebung, wirft Corriere della Sera ein:

„Dahinter verbergen sich tiefe Gräben. Viele Zentralbanker aus Mittel- und Nordeuropa würden die geldpolitische Straffung gerne fortsetzen, wenn auch schrittweise, um den Zeitpunkt der Rückkehr zu einer Inflation von zwei Prozent vorzuziehen. Andere, vor allem aus Südeuropa, weisen darauf hin, dass die Prognosen der EZB selbst auf einen Rückgang der Inflation in zwei Jahren hindeuten. Die einen also setzen auf eine stärkere Bremsung der Wirtschaft, um das Risiko des Verlustes der Preiskontrolle zu beseitigen. … Die anderen möchten, dass die Zentralbank eine Pause einlegt, um zu sehen und zu verstehen, was vor sich geht.“

Ungarn – Alle Eisen im Feuer

Die EZB hat Zeit gekauft, meint Portfolio:

„Die EZB hat ein außerordentliches Meisterwerk der Kommunikation vollgebracht: Sie hat das bisherige Tempo der Zinserhöhungen und die versprochene geldpolitische Strenge beibehalten und gleichzeitig die Tür für einen möglichen Stopp der Zinserhöhungen als Reaktion auf Bankinsolvenzen geöffnet, wobei die Bedrohungen für das Bankensystem kaum erwähnt wurden. Dadurch hat sie den Eindruck erweckt, dass man sich keine Sorgen um die Stabilität des Bankensystems machen müsse . … Die EZB hat Zeit gekauft. … Die nächste Sitzung findet derweil im Mai statt: Sollte sich das Problem bis dahin ausweiten, könnte die EZB die Zinserhöhung einstellen, ohne ihre eigene Glaubwürdigkeit zu beschädigen.“

Niederlande: Woher rührt der Erfolg der BBB?

Bei den Provinzwahlen in den Niederlanden haben die Koalitionsparteien von Premier Mark Rutte drastisch verloren, während die neue Bauer-Bürger-Bewegung BBB auf Anhieb stärkste Kraft wurde. Kommentatoren sehen die Ursachen in der Wut der Bauern über die Agrarpolitik der Regierung und darüber hinaus in einer allgemeinen Unzufriedenheit vieler Bürger.

Belgien – Das Gefühl, verlassen worden zu sein

De Standaard weist darauf hin, dass erneut eine populistische Partei auf der Bühne erschienen ist:

„Immer wieder setzen die Niederländer Vertrauen in einen Newcomer, der ihnen eine ‚andere‘ Politik verspricht. … In den Niederlanden sind die Bauern ebenso wenig wie in Flandern eine große Wählergruppe. Aber das Gefühl, dass ‚die‘ in Den Haag oder ‚die‘ in Brüssel ‚uns‘ nicht verstehen, kennen viele. Beim Abwägen der Interessen der Umwelt und der Landwirtschaft zeigt sich sowohl bei uns als auch bei unseren Nachbarn ein Gefühl, verlassen worden zu sein, benachteiligt. Die Politik kennt uns nicht, versteht uns nicht und will uns nicht.“

Niederlande – Neues Sprachrohr des Unmuts

Es zeigt sich ein grundlegendes Misstrauen, analysiert NRC:

„Es ist die Stimmung des Unmuts, des Ärgers über die angestammte Ordnung, des Gefühls, dass alles anders werden muss. Die BBB ist das Sprachrohr dieses Unmuts geworden. … Entscheidend für den Vormarsch der BBB war, dass sie die Interessen des Agrar-Sektors an die breitere Unzufriedenheit über die nationale politische Führungskultur koppeln konnte. … Die Unzufriedenheit zeigt sich in einem geringen Vertrauen in die Politik.“

Niederlande – Denkzettel ernst nehmen

Für De Telegraaf ist dies eine Abrechnung mit der Regierung Rutte:

„Der Vormarsch der BBB zeigt, dass diese Koalition nicht gut ankommt. … Die BBB ist zur ultimativen Protestpartei gegen etablierte Interessen und großstädtische Selbstgenügsamkeit geworden. … Der Druck innerhalb der Koalition wird nun weiter zunehmen. … Der Bewegungsspielraum schrumpft. Ob dieser Denkzettel des Wählers eine Regierungskrise auslöst, wie spekuliert wird, ist die Frage. Drei der vier Koalitionsparteien wissen, dass die Regierungsbank nach einem Bruch weit weg wäre. Es gibt jedoch eine Alternative: gut auf diesen Warnschuss des Bürgers zu hören.“

16.03.2023 – Spaniens Regierung beschließt Rentenreform

Nach monatelangen Verhandlungen hat die spanische Regierung ihre Planungen für eine Rentenreform abgeschlossen, die den Ansturm der „Babyboomer“ auf den Ruhestand abfedern soll. Staatliche Zuschüsse sollen erhöht und durch angehobene Beiträge ausgeglichen werden. Der Entwurf soll noch mit den Arbeitgebern und Gewerkschaften abgestimmt werden. Kann die Reform Löcher in der Rentenkasse stopfen?

Spanien – System stabilisiert, Zweifel ausgeräumt

El País lobt die Regierung:

„Es sind noch einige Details zu klären, aber sowohl die Gewerkschaften als auch die Regierungspartner stehen der Reform positiv gegenüber (im Gegensatz zu den Arbeitgebern, die sie frontal ablehnen). Dies gilt auch für die Europäische Kommission, die erneut einen Vorschlag der Regierung von Pedro Sánchez gebilligt hat, wie auch die Arbeitsmarktreform. … Diese Reform stellt das Vertrauen her, dass das öffentliche Rentensystem mittel- und langfristig funktionieren wird. Auch wenn sie in Zukunft überarbeitet werden könnte, wozu sich Spanien bereits gegenüber der Europäischen Union verpflichtet hat, beseitigt diese Reform einige Zweifel bezüglich unserer wirtschaftlichen Zukunft.“

Spanien – Auf Kosten der Unternehmer und Arbeitnehmer

El Mundo ist enttäuscht:

„Die Reform erschwert die Schaffung von Arbeitsplätzen und vertieft die fehlende Solidarität zwischen den Generationen. … Das Dokument ist enttäuschend. … Die Regierung hätte sich für eine Kombination aus Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen entscheiden sollen. Aber sie hat ihre ursprüngliche Absicht aufgegeben, den Zeitraum für die Berechnung der Rente zu verlängern, und hat die Reform auf Kosten der Unternehmen und der Löhne der Arbeitnehmer gemacht. … Das wird zu noch mehr Hindernissen bei der Beschäftigung führen.“

Von Kollegiumsmitglied Annelene Adolphs

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