Kommentar von Kollegiumsmitglied Dieter Brockmeyer, Director Innovation and TIME des Diplomatic World Institute

Werden wir uns bald auf virtuelle Safaris in den Krueger Nationalpark begeben, oder wird die nächste UN-Generalversammlung im sogenannten Metaverse stattfinden? Das Versprechen ist, dass wir schon bald völlig auf echte Reisen verzichten können, denn alles kann, ohne Abstriche von zuhause aus erlebt werden. Das ist grüner als grün, denn wo nicht gereist wird, kann auch kein CO2 emittiert werden. Doch ich befürchte, die Erfüllung dieses Versprechens wird noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Sicher, das Metaverse gilt als der nächste große Schritt hin zu einer voll digitalisierten Kommunikation, doch sind die Optionen heute noch sehr beschränkt. Und das wird noch eine ganze Weile so bleiben. Heute treffen wir animierte Avatare in den virtuellen Kunst-Räumen, die nur ein ungenügendes Abbild der realen Welt bieten. Für mehr reicht die Rechenleistung der handelsüblichen Hardware und die Bandbreite der Internetverbindungen in aller Regel nicht aus.

Man sollte auch nicht versuchen sich ernsthaft in den virtuellen Welten zu bewegen, sehr schnell würde man mit einem realen Objekt schmerzhafte Bekanntschaft machen. Und auch der Versuch nach einer Tasse Kaffee zu greifen, geht ins Leere, geschweige denn, dass man ihn eh nicht riechen oder gar schmecken kann. Sicher, es gibt große Installationen, in die man sich einspannen kann und die einem das Gefühl echter Bewegung vermitteln und man kann auch Duftstoffe versprühen, allerdings sind diese Maschinen viel zu groß und unbequem für den Alltagseinsatz zuhause. Die Frage, die sich daraus stellt, wie massentauglich dieses Metaverse heute schon ist.

Viele werden aus reiner Neugier die neuen Plattformen ausprobieren, ob sie aber dauerhaft sich dort ansiedeln, scheint fraglich. In bestimmten Anwendungsbereichen, etwa bei Business Meetings, ohne die Networking Aktivitäten, die Konferenzen sonst auszeichnen, also in einem erweiterten ZOOM Meeting, da macht es bereits heute Sinn, oder bei einem Besuch mit Freunden etwa in einer Sportarena, fest an den Sitzplatz gebunden. Größere Abenteuer werden auf absehbare Zeit nur in Entertainment Parks und Spielhallen möglich sein. Bei Menschen mit viele Erfahrung mit Games mit deren eingeschränkten Welten wird das Metaverse sicherlich schneller auch mit seinen Beschränkungen akzeptiert, weil man bereits gelernt hat, mit Einschränkungen zu leben.

Langfristig werden wir diese Beschränkungen hinter uns lassen. Vielleicht braucht es dafür einen neuen Denkansatz. Statt virtuelle Welten mit Unmengen an Daten akribisch am Rechner zu programmieren, sollten wir vielleicht eine Schnittstelle zu unseren Gehirnen finden, denn dort ist bereits alles hinterlegt – Geräusche, Gerüche, Bewegungsmuster, ja, selbst Bilder. Das muss „nur“ entsprechend abgerufen werden. Dafür braucht es nicht den zu Recht umstrittenen Chip, der ins Hirn transplantiert wird. Ansätze für sanfte Technologien gibt es längst, auch wenn diese noch ganz am Anfang stehen. Niemand kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhersagen, wann das tatsächlich im Metaverse eine Anwendung finden wird. Ich befürchte, das wird noch eine ganze Weile dauern. Bis dahin werden wir mit den Beschränkungen leben müssen. Das hat auch Vorteile, indem wir uns ganz allmählich, mit jedem Entwicklungsschritt etwas mehr, an die Erweiterung unserer Realität gewöhnen können. Was am Ende eine Revolution ist, wird von uns als Evolution wahrgenommen.

Zum Foto: Schöne neue Welt?! (Foto: www.pixabay.com)

Anmerk. d. Red.: Mehr Infos zum aktuellen Stand der Metaverse-Entwicklung finden Sie in dieser englischsprachigen Episode des Audiopodcasts „2hochMEHR“ mit Alina Mikhaleva, der Günderin der Less Media Group.

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